Huisile verblendet sich in einen "Baumstock"

Huisile kannte keine größere Freude, als den Leuten einen Schabernack zu spielen und sie zu ärgern. Aber meist endete doch alles wieder gut. Seine besondere Vorliebe war es, sich plötzlich in einen Baumstock nahe des Weges zu verwandeln, wo dann die Kraxentrager kurze Rast halten konnten. In diesem Augenblick aber rührte sich der verzauberte Baumstrunk, und die überraschten Wanderer fielen schreiend zu Boden. Solche Streiche spielte Huisile überall entlang der Brennerstraße oder an den Jochübergängen von Pflersch-Obernberg oder am Jaufen.

In der Nähe von Steinach setzte sich ein ungarischer "Glaseträger" auf den Baumstamm zum Rasten nieder. Aber dann wackelte der Sitz, und das "Glasemanndl" fiel mit allen Gläsern und Flaschen zu Boden. Gleich danach stand schon Pfeifer Huisile neben ihm und fragte, was denn geschehen sei. Als der Glaseträger jammerte, daß alle Gläser zerbrochen seien und daß er daheim eine Kutte Kinder habe, für die er sorgen müsse, erbarmte sich Huisile und fand einen neuen Ausweg. Er verwandelte sich in einen Stier, den dann der Glaseträger auf den Stafflacher Markt führte. Als das Tier verkauft war, hing plötzlich nur mehr ein Strohhalm an der Kette und ein kleines Mäuslein sprang unversehens davon…

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Ähnlich erging es einem Kraxenträger am Sandjoch in Obernberg, wo sich Huisile in eine "gemütliche Bank" verwandelt hatte. Wiederum setzte sich der Kraxentrager auf die Bank und fiel dann jammernd und erschrocken zu Boden. Pfeifer Huisile erschien und machte den Schaden wieder gut, indem er sich in eine Kuh verwandelte, die dann der Kraxenträger auf den Markt nach Sterzing zum Verkauf führte.

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Auf der Brennerstraße von Gossensaß [Gossensass] über die "Lambse" herauf hat Huisile einen schwerbepackten Krumer zum Niedersitzen verleitet. Krachend fiel der Krumer mit seiner Last zu Boden. Gleich danach kam Huisile mit einem verzauberten Ochsen daher, den er dem Krumer schenkte, um den Schaden wieder gutzumachen. Als der Ochse auf dem Markt in Gossensaß verkauft war, hing plötzlich nur mehr ein Strohhalm an der Kette. Der Krumer jedoch hatte sich auf den Rat Huisiles rechtzeitig aus dem Staub gemacht.

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Auf dem Jaufen verwandelte er sich in einen Baumstock, als eben ein "Klamperer" (Spengler) des Weges kam. Müde setzte sich der Klamperer auf den Stock, der sich aber von selbst bewegte und zu wackeln begann, so daß der Wanderer mit seiner Kraxe zu Boden fiel. Das Glas war in Scherben gegangen. Das Jammern des verunglückten Kraxentragers aber ging dem Huisile so zu Herzen, daß er unvermittelt des Weges kam und fragte, was es denn gegeben hätt. Gleich machte er den Schaden wieder gut, indem er sich in einen Ochsen verwandelte, den der Klemperer auf den Sterzinger Markt führen sollte. Ein Bauer kaufte den Ochsen. Als er über einen Bach ging, hing plötzlich nur mehr ein Strohhalm an der Kette…

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Im Jaufenthal [Jaufental] spielte Huisile einem Pfannenflicker denselben Streich. In der Nähe von Schluppes verwandelte er sich in eine Bank, die aber sofort umfiel, als sich der Pfannenflicker müde daraufsetzte, Huisile flog als Fluige davon. . .

Ein andermal aber war Huisile nicht schnell genug. Der Klemperer nahm sein Messer, um einen harten Brotlaib auseinanderzuschneiden. Bei dieser Arbeit stach er dem Huisile in den Kopf.

In ähnlicher Weise hat Huisile dieses Kunststück fast auf allen Wegen und Übergängen entlang der Brennerstraße betrieben. Es scheint ihm besonderen Spaß gemacht zu haben.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 23 - 24.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.