Huisile vernichtet das Blümltal und wird durch geweihte Eier aufgehalten

Wieder einmal war es geschehen, daß Huisile von den Bauern in Pfulters am Fuß von Stilfes-Egge schwer erzürnt worden war. Dies bot ihm einen willkommenen Anlaß, seine Wasserkünste zu versuchen. Diesmal schien es ihm besonders leicht und günstig, denn die Natur hatte alle Voraussetzungen für ein gutes Gelingen gegeben.

Gleich am Joch bei der Galtalm lag ein tiefer See, den er ohne viele Vorbereitungen auslassen und in das Tal leiten konnte. Vom See war es gar nicht weit bis zum Wald, so daß er von den Glocken sicher war. überdies konnte er sein Werk in aller Ruhe vorbereiten, da er sich in großer Bergeinsamkeit, fern von allen Höfen, befand.

An einem glasklaren Frühsommertag schritt Huisile grimmig durch das Dörflein Pfulters bergaufwärts. Er hatte wohl nochmals das Gelände beobachtet. Beim obersten Hof in Pfulters, Plattner genannt, der grad neben dem kleinen Bächlein gelegen war, trieb die alte Bäuerin eben die Gänse auf das Feld zum Bächlein; Huisile erbarmte sich der Frau:

"Müetterle - heunt kimp die Güsse! Tüet's die Gänse ein", sagte er freundlich. Aber das Mütterle lachte nur und kümmerte sich nicht darum: "Was werd heunt die Güsse kemmen - bei so an schian Wöter...?"

Und wirklich - es war ein wunderschöner Sommertag und die Sonne schien warm hernieder. Plötzlich aber war es geschehen, daß sich im Blümltal ein furchtbarer Aufruhr erhob. Pfeifer Huisile hatte den See ausgelassen und ritt nun auf einem schwarzen Bock herunter in das Blümltal, und hinter ihm brauste donnernd und krachend die Güsse daher, alles zerstörend und vernichtend. Damals war der Talboden noch fruchtbar und voll Wiesen und Felder. Ein großer Hof breitete sich aus inmitten der blumenübersäten Wiesen, so daß man die heute so wilde und ungangbare Gegend das Blümltal nannte.

Durch dieses liebliche Tal ritt nun Huisile auf dem schwarzen Bock und hinter ihm überschwemmte die Güsse Hof und Feld, so daß keine Spur mehr verblieb. Nun machte er sich mit Gedonner und Gekrach hinunter nach Pfulters am Eingang des Tales. Die Bewohner hatten das Donnern des Wildbaches gehört und warteten voll Entsetzen der kommenden Dinge. In letzter Verzweiflung gruben die Frauen von Pfulters geweihte Ostereier in die Erde, und zwar genau vor dem Dörflein, um den Wildbach abzuhalten. Diese Eier waren stärker als die Zauberkraft Huisiles. Wohl konnte er das Blümltal vernichten, aber bei Pfulters mußte er abbiegen. Ein tiefer Wildbachgraben erinnert noch heute an sein fast gelungenes Werk.

Dieser alte Volksglaube an die Kraft der Ostereier besteht bei den Bauern von Stilfes-Egge noch heute, übrigens hat auch der Lauterfresser in seinem Hochgerichtsprozeß eingestanden: "Eier, welche am Weichenpfinztag (Gründonnerstag) gelegt und in die Erde eingegraben worden sind, schützen selben Ort vor Wasserschäden!"

In Stilfes-Egge soll noch eine unergründlich-tiefe Kluft offen sein, die Huisile damals gleichzeitig aufgerissen hat. Bei nassem Wetter soll sie größer werden. Einmal wird sie brechen, dann versinken vier Höfe und die Kapelle.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 72 - 73.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.