Heuziehen

Als die schwere Arbeit des Heuziehens begann, fühlte sich Huisile bei der schmalen Kost gar nicht wohl. Wieder einmal war am Vorabend das Milchmus nicht schmalzig zubereitet gewesen. In dunkler Nachtstunde hat der Bauer sein Knechtl geweckt:

"Huisile - austehn!"

Brav und willig ist Huisile aufgestanden und hat alles zum Heuziehen hergerichtet. Auch die kleine Schmalzlampe, die man kurzerhand den "Schmalzfresser" nannte, stand im Tennen. Als der Bauer aufbrechen wollte, stellte Huisile diesen Schmalzfresser neben das Heuferggl, steckte die Hände in die Taschen und wartete der Dinge. Der Bauer wies ihn zornig zurecht, was er denn da treibe; es wär' Zeit zum Gehn. Huisile aber antwortete lächelnd:

"Itz lassen wir einmal den Schmalzfresser heuziehen, weil er uns alleweil das ganze Schmalz wegfrißt!"

Auf diese Weise sagte er dem geizigen Bauern die unverblümte Wahrheit. -

Aber die Kost wurde nicht besser, und selbst an hohen Feiertagen sparte der Bauer, wo und wie er nur konnte. Am Kinigenabend werden sonst immer Krapfen auf den Tisch gestellt, aber diesmal gab es nur gewöhnliches Milchmus wie alle Tage. Mitten in der Nacht aber hat Huisile den Bauern geweckt: "Bauer - 's ist Zeit zum Aufstehn! Sonst kommen wir zu spat zum Heuziechen!" Der Bauer ist zornig worden und hat ihn zurechtgewiesen: "Huisile! Was meinst denn eigentlich…? Heunt ist ja Kinigentag! An einem solch hohen Feirtag tuen wir nit Heuziechen!" Huisile hat getan, als hätt er keine Ahnung von diesem Festtag und hat ganz gleichgültig gemeint: "Was sollt ich denn wissen, wenn Ös so g'spassig kochen tuets - grad wie an am dreckigen Werktig!"

Weil halt der Bauer mit seinem Knechtl gar nit zufrieden war, hat er ihn mit der Kost noch knapper gehalten. Er selber hat sich vor dem Heuziehen ein fettes Rahmmus gerichtet, Huisile aber hat müssen das magere Milchmus essen. Bei der Abfahrt über ein steiles, felsdurchzogenes Bergmahd mußte Huisile dem Bauern helfen, um über eine gefährliche Stelle zu kommen. Plötzlich aber hat er ausgelassen und der Bauer mußte vorne allein einhalten, "Huisile - höb", hat er ihm angstvoll zugerufen. Huisile aber hat die Hände in die Taschen g'steckt und gleichgültig gemeint: "Rahmmus höb - - -'s Milchmus hat ausgelassen…!" Damit wollte er sagen, der Bauer mit dem fetten Rahmmus soll "föscht höbn", das Milchmus ist zu schwach! Der Bauer mußte das "Reißl" Heu auslassen, sonst hätt es ihn in den Abgrund gerissen…!

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 14 - 15.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.