Huisile kauft einen Kessel

Ein altes Weibele, ihres Zeichens eine Kraxentragerin, wandelte langsam und müde auf der Landstraße nach Brixen zum Markt. Sie stammte von Rizoal ober Mauls und wollte in Brixen einen Korb voll Eier verkaufen, um dafür einen neuen kupfernen Kessel einzutauschen. Pfeifer Huisile kam zufällig des Weges und wollte sich einen netten Spaß nicht entgehen lassen. Er wiederholte seinen boshaften Streich und verwandelte sich in eine "kammote" Bank. Müde vom langen Weg und von der schweren Last setzte sich die Kraxentragerin seufzend nieder - aber im gleichen Augenblick kugelte sie samt dem großen Korb auf den Boden, und die zerbrochenen Eier spritzten nach allen Seiten auseinander. Das Weiblein jammerte und zeterte vor sich her und sah keinen Ausweg aus ihrer Not. Plötzlich stand Pfeifer Huisile neben ihr und fragte sie unschuldig, was denn geschehen sei: "Oh - i hätt mir wollen für das Geld einen nuien Kessel kaufen, aber itzen weiß i nit, was i daheim sagen sollt, wenn i keinen Kessel mitbring!"

Huisile schüttelte verwundert den Kopf, während das Weiblein immer wieder jammerte:

"Hast du dös schun einmal erlebt, daß dir eine Bank unter den Füßen davonläuft…? Grad so ist's mir gangen! I han mi niederg'hockt und die Bank lauft mir davon - - - und itz ist überhaupt keine mehr zu sehen!"

Huisile stellte sich immer verwunderter und schüttelte noch einmal den Kopf:

"Na - dies han i no nie erlebt, daß eine Bank auf und davonläuft…!" Dann tröstete er sie: "Aber Weibele! Tuet's nit a so larmen! Geht's nur aufn Markt, dann werden wir schon einen Kessel zuwegbringen!"

Richtig stand Huisile plötzlich auf dem Marktplatz. "So - itz suech dir einen gueten Kessel aus", ermunterte er das Weibele. Endlich fand es einen Kessel und zeigte ihn dem Huisile: "Was", meinte Huisile verächtlich, "der Kessel ist ja viel zu klein! Den f... ich ja auf einmal voll!" Auf diese Worte hin war der Kesselflicker so beleidigt, daß er herausfordernd meinte: "Guet - wenn du das zustandebringst, dann ist der große Kessel dein!" Huisile hat nit lang gewartet, sondern ist hinter die Mauer gegangen und hatt den Kessel "voller" zurückgebracht. Auf diese Weise ist die arme Kraxentragerm dennoch zu ihrem Kessel gekommen! Einen Ausweg wußte also Huisile immer, auch wenn er noch so seltsam und verschroben war! 2)

2) Diese Sage wird auch vom Lauterfresser erzählt; vgl. Hehl, Volkssagen aus Tirol, Jg. 1897, Seite 178f.; sie ist auch im Passeiertal nicht unbekannt.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 26 - 27.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.