Huisile tuet mit einem Böckl Schnee führen

Mit den Bauern von Mareit und Ridnaun ist Huisile nit besonders gut gestanden. Sie haben ja auch die Krapfen mit einem Kreuzl bezeichnet, so daß Huisile hungrig zuschauen mußte. Außerdem wollten die frommen Bauern nichts von der schwarzen Kunst des Zauberers wissen, übrigens hat er einmal eine Bäuerin schändlich mißhandelt, indem er ihr das glühende Schmalz ins Gesicht gegossen hat.

So versuchte er, den Hügel von Sankt Magdalena abzutragen, der vom Wildbach umspült wird. Der alte Reisigbauer Volgger, der davon erzählt, weiß aber nicht mehr, wie es zugegangen ist. Die Erinnerung daran ist ganz verblaßt. Um so eingehender aber lebt der Versuch Huisiles im Volk weiter, die innersten Höfe des Ridnauntales mit einer fürchterlichen Schneelawine zu überschütten und zu zerstören. Den stolzen Bauern der Sennen- und Moarenhöfe wollte er ein für allemal den Meister zeigen. Diesmal erhoffte er sich nach folgender gründlichen Vorbereitung besonderen Erfolg:

Einen Winter lang führte Huisile grimmig und vereinsamt mit einem schwarzen Bock Schnee vom nördlichen Pflerschtal, an der Furtalm, auf das Winkeljoch hinauf. Es muß ein sonderlich lustiges Gespann gewesen sein! Huisile und der schwarze Bock, dahinter ein kleiner Schlitten! Grimmig mag der Hexenmeister vor sich hergestiert haben, wie er langsam durch die Bergeinsamkeit des Hochwinters auf das Winkeljoch gestiegen ist! Und wenn er dann auf die ungeheuren Schneemassen hoch am Joch geschaut hat, dürfte er wohl zufrieden gelächelt haben:

"Denen werd ich's heimzahlen! Die werden was d'erleben!"

Endlich war der große Tag gekommen. Mit schrecklichem Gekrach und Getöse ließ Huisile die Schneelahne vom Winkeljoch ab! Sie donnerte zu Tal, grad auf die Sennen- und Moarenhöfe zu, immer neue Schneemassen mit sich reißend! Alles schien verloren zu sein gegenüber diesen Urkräften der Natur! Aber im letzten Augenblick begannen die kräftigen Wetterglöcklein der uralten Sankt-Laurenzi-Kirche von selbst zu läuten und Huisile sah sich wieder betrogen. Alle Arbeit war wieder umsonst. Beschämt stand er auf dem Joch, um dann verärgert in das Tal zu ziehen. Dort aber hat er prahlerisch verkündet:

"Wenn die Laurenzi Schelliler nit geläutet hätten, dann hätt i den Moarer Almschellen und den Senner Kochkölln Feirum geläutet!"

Damit wollte er sagen, daß er die innersten Höfe des Ridnauntales, die Moaren- und Sennenhöfe, verschüttet hätte. In dieser ungemein lebendigen Sage lebt wohl die Erinnerung an eine ungeheure Naturkatastrophe weiter.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 65 - 67.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.