Der schwarze Schutzengel

"Was willst du, Mensch", hat der unheimliche Lauterfresser das kleine Knechtl gefragt, das ihn aufgesucht hatte, um ihm seine Not zu klagen. Dann hat Huisile ausgepackt und alles erzählt, wie schlecht es ihm bisher ergangen sei.

"O - was bin i für ein armer Heiter! I bin zu guet für ein' Knecht und zu schlecht für ein' Bauer!"
I bin zu guet für die Arbeit und zu schlecht zum Nichtstun!
I will a Mensch sein wie andern!
Will lustig löbn und wenig arbeiten!
Landauf und landab ziechen.
Und will Gewalt bekommen über die Menschen!"

Kurz und bündig hat ihm der Lauterfresser geantwortet; "Du mußt einen Pakt mit dem Schwarzen Schutzengel schließen! Dann steht er dir dein Leben lang zu Diensten! Du kannst alles von ihm verlangen, und er muß alles tuen, was du willst!"

Voller Freud hat Huisile ausgerufen: "So einen Schutzengel such i schun lang! Der kommt doch, wenn ich ihn brauch!"

*

Und es kam bald die Zeit, wo er mit dem Schwarzen Schutzengel zusammentraf:

"Huisile! Huisile!" rief eine dumpfe Stimme an unheimlicher Stätte in dunkler Nachtstunde zwischen zwölf und eins.

"Wer bist du", erwiderte Huisile. "Ich siech niemand und hör doch eine Stimme! Es stinkt wie von Fuir und Schwefel!"

"Huisile - i bin dein Schwarzer Schutzengel", antwortete dann die Stimme und fügte hinzu: "I bleib itz alleweil bei dir! Wenn du mi brauchst, kannst du mi rufen und i komm! Zu jeder Stund - Tag und Nacht! Du kannst verlangen, was du willst...!"

"Wirklich!" schrie Huisile jubelnd auf und war froh, daß alles so leicht abging: "Hui! Hui! Das soll ein Leben werden! Dann darf i wirklich gar alles tuen!"

"Ja - alles, gar alles", antwortete ihm die Stimme, "aber du darfst dich nie mehr abwaschen, darfst kein Kreuz nit machen und darfst nie in eine Kirche gehn und mußt diese Schrift mit dem eigenen Blut unterschreiben!"

Huisile lachte nur vor Freud über seinen raschen Erfolg und unterdrückte jedes Bedenken: "Wenn's weiter nichts ist! In die Kirche geh i ja ohnehin nit gern! Drum kann i den Wunsch leicht erfüllen! Da ist die Unterschrift!"

Ohne zu zögern unterschrieb er den Vertrag mit seinem eigenen Blute, worauf ihm der Schwarze Schutzengel zurief:

"Itz kannst du verlangen, was du willst!
Wir bleiben alleweil beinand - lebendig oder tot!"
"Juhui", schrie Huisile lustig und leichtsinnig auf, "das soll ein Leben werden! Die ganze Welt ist mein!"

Da sprang auch schon ein kleines Eselein herbei, das ihm der Teufel geschenkt hatte. Auf diesem ritt Huisile oft durch das Land, wenn er nicht als "Fluige" durch die Luft flog oder im Winter auf seiner Zauberrodel bergauf und bergab fuhr…

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 17 - 18.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.