Huisile näht einen Kittel mit einer Sperrkette

An einem eiskalten Wintertag stapfte Huisile mit seinem "Weibits" von Kalch herauf gegen Münichhausen, wo eben die Holzknechte die schweren Baumstämme auf die Hornschlitten legten, um dann in wilder und gefährlicher Fahrt zu Tal zu jagen. Lustig begrüßte Huisile die Holzhackerbuben und rief ihnen frohe Worte zu. Die Burschen waren rauhe und wilde Gesellen. Einer griff nach der Dirn, die sprang schreiend zur Seite, blieb aber am Schlitten hängen und - - - schon war es geschehen - - - der schwarze, dicke "Wilfling-Kittel" hatte bis oben hinauf einen klaffenden Riß. Jammernd und schreiend setzte sich die arme Dirn auf einen Baumstamm und versuchte, den Riß durch Zusammennehmen der Falten zu verdecken: "Huisile! Huisile! Was tu ich denn nur...? So kann i ja nimmermehr weitergehn. Der Kittel ist völlig derrissen. . .! Und i han weder Nadel noch Faden!"

Die rauhen Holzknechte aber lachten darüber und trieben ihren mutwilligen Spaß mit der Dirn.

Da sagte Huisile mit grimmigem Lächeln zu den Holzknechten, - "gebt mir die Kötte da, und den Eisenstecken", - "dies ist ja eine Sperrkötte für den schwaren Schlitten", erwiderten ihm die Holzknechte lachend. "Was willst du damit...?"

Huisile aber biß sich schalkhaft auf die Stockzähne. Dann nahm er die schwere Sperrkette und befestigte das eine Ende derselben an dem Eisenstecken. "Das werd'n wir glei haben", sagte er dabei beruhigend zur weinenden Dirn. Sie aber schämte sich so, daß sie sich gar nicht mehr aufzuschauen traute. Weinend verdeckte sie ihr Gesicht mit beiden Händen: "Huisile! Huisile! I mueß da warten in der Költe, bis es Nacht wird! Du hast ja weder Nadel noch Faden!"

"Sei nur still", tröstete er sie und stach wie mit einer kleinen Nadel ein Loch in den Kittel an der zerrissenen Naht. Klirrend zog er die Sperrkette durch das Loch, dann ein zweites- und ein drittesmal - - und immer hin und her - wie ein gelernter Schneider. Hie Holzknechte hielten sich den Bauch vor Lachen, denn sie glaubten, Huisile wollte nur einen groben Spaß mit der armen Dirn treiben; die Dirn aber weinte verzweifelt und wäre am liebsten davongesprungen, doch dann hätte sie wohl den Kittel ganz verloren, und das wagte sie nicht. So mußte sie aushalten und ließ wimmernd diese seltsame Handlung über sich ergehen.

Endlich reckte sich Huisile auf und warf dem Holzknecht die Kette rasselnd zu. "Da - Dirn! Steh auf! Kannst wieder weitergehn! Siehst du nit, daß i den Riß wieder zugenahnt han...?" Erstaunt nahm die Dirn die Hände vom Gesicht, öffnete die Augen und schaute verwirrt bald auf den geflickten Rock bald auf Huisile, bald wieder auf die erstaunten Holzknechte, die Augen und Mund weit aufrissen.

Hastig fuhren sie mit ihrer schweren Last ins Tal. Dort erzählten sie die merkwürdige Geschichte. "Ja - Huisile kann mehr als ein gewöhnlicher Mensch!" Und weithin verbreitete sich diese seltsame Kunde. . .

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 44 - 46.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.