Die Ableitung des Valtiglbaches

Mit dem Schaferbauer in Ridnaun hatte Huisile einen höllischen Streit angefangen, aber er konnte dem Schaferbauer einfach nicht beikommen. In seiner Wut dachte sich Huisile einen Plan aus, die Felder und den Hof sowie den darüberliegenden Wald mit einer Mure zu überschütten. Dann könnte er es dem Schaferbauer gründlich heimzahlen...

In gründlicher Vorbereitung führte er zuerst Steine mit seinem schwarzen Böckl und lud sie genau über dem Schaferwald ab. Dort lag auch ein ungeheurer, haushoher Felsblock, den er grad gut brauchen konnte. Den wollte er gemeinsam mit der Mure in den Schaferwald hinunterlassen. Wenn der einmal ins Rollen kommt, fällt er hinunter bis zum Bach.

Aber dann gab sich Huisile noch nicht zufrieden. Ohne Wasser konnte er einmal nicht auskommen. Daher leitete er kurzerhand den Valtiglbach um, um Wasser und Steine mit vereinter Kraft wirken zu lassen. Dann wohl - du zwiderer Schaferbauer!

So war in schlauer Vorbereitung das Werk geschaffen worden, und Huisile rieb sich vergnügt die Hände. Es war ein Meisterwerk! Der Valtiglbach trat aus seinem uralten Bachbett und rauschte über Berg und Hang heran wie eine gehorsame Schlange, sich ein neues Bett grabend; Huisile sah voll Freude das Gelingen seines Werkes, und er mühte sich nun mit aller Kraft ab, um den Riesenstein zuerst in Gang zu bringen, denn dieser Stein sollte ihm den Weg durch den Schaferwald eröffnen. Dieser Schaferwald war nämlich der Bannwald des Hofes, der den Hof vor Lahnen und Muren schützen sollte. Doch der Stein war schwerer, als Huisile gedacht hatte, und mit aller Zaubergewalt kam er ihm nicht bei. Er maxte und stemmte, er mühte sich und plagte sich - aber der Stein wollte sich nicht rühren. Endlich aber hatte es Huisile: er grub vor dem Stein ein riesiges Loch auf, um den Felsen dann mit einem "Schupfer" aus dem Gleichgewicht zu bringen - - - "aha!" dachte sich Huisile! "Itz geht's!"

Aber zu seinem Unglück war es schon zu spät! Denn eben war es Abend geworden und die Glocken von Sankt Magdalena läuteten zum Gebet. Schon wieder diese Magdalena-Gloggen! Wenn diese Glocken zum Gebet läuteten, dann hatte Huisile alle Macht verloren. Wohl hat der Valtiglbach etwas Schaden verursacht und die Steine sind etwas heruntergerutscht, wie man es heute noch sieht, aber der Schaferwald, die Bortlerfelder und der Schaferhof waren der Vernichtung entgangen. Beschämt mußte Huisile wieder abziehen, und der Valtiglbach floß wieder in seinem alten Bett weiter zu Tal. Um so grimmiger wollte er an Sankt Magdalena Rache nehmen...

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 67 - 68.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.