Ein wilder Stier erschreckt Vieh und Hirten

Auf den Almen von Mareit sprang - wie aus dem Boden gewachsen - plötzlich ein schwarzer, wilder Stier daher. Auf einmal tauchte er hinter einem Felsblock auf und brüllte wie ein Ungeheuer, daß es in den Felsen widerhallte. Niemals haben die Hirten einen so großen und so wilden Stier gesehen. Ungeheuer groß waren seine Hörner, die rote Zunge aber hing ihm beim Maul heraus.

Dann sprang er wie ein schwarzer Teufel mitten in das Vieh hinein, das in Angst und Schreck weit auseinanderjagte. Die ganze Alm kam in Aufregung. Das Vieh brüllte, die Kälber schrien, die Hirten flohen entsetzt in die Almhütte oder flüchteten auf einen Felsblock hinauf. Eine Zeitlang trieb der schwarze Stier sein Unwesen, er jagte wild herum, er brüllte und stieß die Hörner in den weichen Boden.

Auf einmal aber war er wieder verschwunden, so schnell wie er aufgetaucht war. Bald nachher ist es dann mehrfach geschehen, daß es an der Tür der alten Käser gepocht hat und Pfeifer Huisile stand davor:

"Was geit's denn da…? Könnt ihr denn nit die Ochsen zammhalten", wies er die Hirten zurecht. Nun wußten sie, daß Pfeifer Huisile sein wildes Spiel getrieben hatte, und sie empfanden eine große Angst vor der Kunst des Hexenmeisters.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 30.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.