WIE DIE SALVANGS HOCHZEIT HALTEN

Eines Abends ging der Richter von St. Vigil in Enneberg von Abtei herab heimwärts, und weil er spät fortgegangen war, überfiel ihn die Nacht auf dem Wege. Und er schritt gerade durch den Plaieswald, wo es ohnehin nicht recht geheuer ist, als es ganz finster wurde.

Da hörte er eine schöne Musik im Wald und wußte nicht, woher da die Musik käme, denn im ganzen Wald ist kein Haus. Endlich sah er einen herrlichen Palast vor sich am Weg, und weil er sich nicht fürchtete, ging er darauf zu. Die Fenster waren hell erleuchtet, und die Musik kam aus dem Palast. Er lugte ein wenig zum Fenster hinein und sah, wie die kleinen Waldmännlein da Hochzeit hielten. Auf der Fensterbrüstung saßen eine Menge schwarzer Katzen, bliesen zum fröhlichen Tanz ihre lustigen Weisen auf Flöten, Waldhörnern und Posaunen, und etliche strichen ihre Saiteninstrumente. Das gab ein Gewimmel! Unzählige Paare von Männlein und Weiblein tanzten in einem großen Saal herum, andere liefen geschäftig hin und her, und durch die offene Saaltür sah er viele Zwerglein die Treppe auf und ab laufen.

Als aber der Tanz zu Ende war und der Richter noch immer verdutzt durch das Fenster schaute, wurde er von innen beobachtet, und im Augenblick war ein Schwarm von Männlein und Katzen über ihn her, so daß er nicht mehr entrinnen konnte. Er wurde zerkratzt und gebissen und gestoßen und geschupft, bis er auf den Boden zu liegen kam. Da auf einmal wurde alles wieder ruhig und war nichts mehr zu sehen noch zu hören. Aber der Richter lag auch nimmer im Plaieswald, sondern auf der höchsten Spitze des Peitlerkofels, wohin ihn die Salvangs entrückt hatten. Es kostete ihn nicht geringe Mühe, bei Tagesanbruch die Felswände herabzuklettern.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 615