Der wilde Mann und die Langtüttin

Die Langtüttin und der wilde Mann kamen oft im Pillerberg, Laner genannt, dort, wo jetzt noch der weiße Stein liegt, zusammen. Vom Ferner bis zu dieser Stelle machten sie nur drei Schritte. Noch sieht man vom wilden Manne die einundeinhalb Spannen breite Fußstapfe. Sein Stecken drückte dem Sesselstein, auf dem er lehnte, eine solche Vertiefung ein, dass sie eine große Rinne scheint. Ebenso sieht man noch genau im Felsen, wo er saß und wo er den Zwirnknäuel und das Strumpfelbrett hingelegt hatte. An ihrem Platze sind die Kittelfalten dem Steine eingedrückt. So saßen sie oft stundenlang beisammen und spielten. Einmal hatte sie neunundneunzig Mal gewonnen, doch das hundertste verspielte sie. Deshalb musste sie zum Hangenden Ferner wandern und ward seitdem nie mehr gesehen. Der wilde Mann ging noch einige Zeit seine Wege und dann verschwand er auch spurlos. Er redete früher oft mit den Arbeitern im Walde, als dessen Eigentümer er sich ansah, gab ihnen gute Räte und sagte unter anderem: „Trägst du mir noch einmal so viel Holz zugleich fort, zerreiß ich dich. Wenn du wenig nimmst, doch fein stat (oft) kommst, seh' ich es gerne,“ Einem andern Bauern, der ihm klagte, dass es mit der Wirtschaft nicht vorwärts wolle, gab er den Rat:

„Richte dir alte Küh und junge Hennen,
So kannst du immer g'nug marennen.“

(Passeier.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 182, S. 111.