DER GEIST IN DER JAUFENBURG

Oberhalb St. Leonhard in Passeier ragen die Trümmer der uralten Jaufenburg aus dem Walde empor. Zu manchen Zeiten wird in diesen alten Mauern ein blasses Fräulein erblickt, das aus den Fenstern der Burg herausweint. Das Fräulein hat blonde Locken, die ihm bis zu den Füßen reichen und geisterhaft im Winde wehen. Der Geist blickt stets nach St. Leonhard hinab, mit Gebärden, als wollte sich die Gestalt hinunterstürzen und ihren Schmerz, wahrscheinlich Liebeskummer, in dem kalt dahinrauschenden Waltener Bache kühlen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 481 f.