DIE ENTDECKTE HEXE
Vor beiläufig hundert Jahren ging es in einem Hof in Passeier nicht
mit rechten Dingen zu. Das Vieh erkrankte oder erfiel, und selbst aus
dem besten Rahm gab es keine Butter. Diese Hexereien wurden endlich dem
Bauer zu arg, und er beschloß, denselben ein Ende zu machen. Er
sprach deshalb eines Tages zu seinen Leuten: "Laßt mir heute
niemand ins Haus und tut auch keine Türe auf." Dann nahm er
das Kübele, füllte es mit Rahm, legte seine Kappe hinein und
warf alles in das Ofenfeuer. Es dauerte nicht lange, da stand ein Weib
vor der Türe und bat flehentlich um ein bißchen Rahm, um ihre
Brandflecke damit zu bestreichen. Es war dies aber die Hexe, die die Butter
stahl, und war nun vom Bauern erkannt. (Passeier.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 753, S. 425