DER VERSTORBENE HIRTE

Auf einer Alm im hintersten Passeiertal erschien eines Abends eine große Kröte, kroch hin und her und patschte an die Tür der Sennhütte. Sobald die Hirten Feuer gemacht hatten, hüpfte sie eilig zu diesem hin, und obwohl man sie mehrmals zurückstieß, kehrte sie doch immer wieder zum Herdfeuer zurück und atmete dort tief ein.

Die Hirten erschraken über das seltsame Verhalten dieses Tieres und verkrochen sich alsbald im Heustock, um zu schlafen. Am nächsten Tag war die Kröte verschwunden, und die Hirten erfuhren, daß zu derselben Stunde, in der die Kröte erschienen war, ein Hirte, der viele Jahre lang auf dieser Alm gedient hatte, gestorben sei. Der Grund aber, weswegen er sich in der Hütte als scheußliche Kröte gemeldet hatte, konnte nicht gefunden werden.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 333, S. 198