ER WUßTE SEIN GENAUES TODESJAHR VORAUS

Im Jahre 1741 wurde P. Eusebius Payr, der 1739 bis 1742 in St. Martin als Kooperator wirkte, zu einem Mann ins Altersheim gerufen, der zum Sterben war. Der Mann war 68 Jahre alt, sah einem Geiste gleich, hatte ein spitziges Gesicht, das von einem langen grauen Bart umrahmt war, und wurde allgemein als der "Tamper" bezeichnet, da er beim bayrischen Rummel im Jahr 1703 als Trommler mit ausgerückt war. Der alte Tamper sagte nun zu dem Kooperator, daß er zwar wohl bald sterben und ins Fegefeuer kommen werde - dies aber erschrecke ihn nicht, einmal müsse es ja doch sein, und je eher angefangen, desto besser! - aber dennoch wundere es ihn, daß er schon jetzt sterbe. Denn sein eigentliches Sterbejahr sei erst in zwei Jahren, 1743!

Als ihn der Priester groß anschaute, meinte der alte Tamper: "Ja, erst 1743, denn da werde ich 70 Jahre alt, und erst mit 70 werde ich sterben. So hat mir's der Waltner Jos prophezeit. Das war ein frommer Mann und lebte in St. Leonhard. Er schlief des Nachts beim Brühwirt in einer Kammer, deren Fenster gegen den Friedhof gerichtet war. Während er da in den Mondnächten zu den Gräbern hinausbetete, sah er oft um Mitternacht Geister in den Friedhof ziehen. Er wußte auch aller Leute Tod voraus. Einmal rief der Jos den Geistern zu: Sagt mir, wann stirbt der Tamper? Da krähte eine Stimme herauf: Zähle morgen, wenn er zur Kirche geht, sobald du ihn erblickst, seine Schritte bis zur Kirchenschwelle; das ist die Zahl seiner Lebensjahre. "Ich machte gerade 70 Schritte, und der Jos teilte mir dann mein Sterbejahr mit, nämlich 1743."

Merkwürdigerweise starb der alte Tamper damals tatsächlich noch nicht, sondern erst zwei Jahre darauf, nämlich 1743.

Quelle: Weber, P. Beda und Schatz, P. Adelgott: Das Tal Passeier und seine Bewohner. Meran 1902. S. 404 f.