VOM SCHWARZKÜNSTLER OBERLEITNER

Der Oberleitner in Terenten hatte mit dem Teufel einen Bund geschlossen. Der "Bettel" (Teufel) brachte ihm eine Menge Bücher, aus welchen er vielerlei Zauber lernen konnte. Dafür aber mußte er dem Bösen seine Seele verschreiben.

Der Oberleitner nahm die Sache nicht krumm, denn der Satan hatte ihm versprochen, daß er ihn erst holen werde, wenn seine Kuh ein weißes Kalb geworfen hätte. Da mag er lange warten, dachte der Mensch, denn unsere Pusterer Kühe werfen ihr Lebtag kein weißes Kalb. Und er tat die Hexenbücher in einen Kasten und lernte daraus wacker die Schwarze Kunst. Der Bücher aber waren so viel da, daß nicht einmal der Kurat so viele hatte.

Zunächst freute ihn das Schießen. Ei, wie konnte der Oberleitner aber auch gut schießen! Kam ein Wild auf seinen Boden, so machte er es "gefroren", und es mußte wie angenagelt stehen bleiben, bis er seine Büchse herabgenommen hatte. Dann schoß er es über den Haufen. Wenn er mit seinem Knecht nach Zillertal auf die Jagd ging, sagte er so gegen 10 Uhr vormittags: "Die Bäurin siedet daheim schon die Krapfen, jetzt müssen wir geschwind heimgehen. Da, tu nur deine Füße auf die meinigen!" Und im Augenblick waren sie vom Zillertal herüben bei ihrem Haus!

Einmal hatte er einen Knecht, der ihm drei Star Roggen stahl, um sie zu verkaufen. Vorläufig, bis er zum Verkauf Gelegenheit bekäme, vergrub er das Korn. Aber der Oberleitner wußte es ganz gut und machte den Knecht gefroren. Dieser mußte also gerade dort festgebannt stehen bleiben, wo er den Roggen unter hatte, bis der Zauberer herbeikam und ihn erlöste.

Eines Tages war der Oberleitner mit seinem Knecht wieder ins Zillertal hinüber auf die Steinböcke gegangen. Da wurde er überfallen. Der Leitner wollte seine Kunst nicht gebrauchen, weil er fürchtete, es geschehe dem Knecht ein Leid, wenn er ihn verlasse. Den Angreifern aber war es nicht um den Knecht zu tun; den ließen sie gerne laufen. Der Leitner war nun froh; sich selber hat er bald freigemacht, er verschwand einfach.

Einmal sagte er, in dem und dem Bauernhof, wo sie bald ein weißes Kalb bekommen werden, solle man dafür sorgen, daß das Kalb ja schnell in den großen Bach (die Rienz) geworfen werde. Der Bauer, in dessen Stall wirklich ein weißes Kälblein zur Welt gebracht worden war, befolgte den Auftrag des Zauberers nicht, doch stellte er sich so, als ob das Kalb in den großen Bach gewandert wäre. "Wie ist der Bach geronnen?" fragte der Oberleitner. "Triebe" (trüb), antwortete der Bauer. "Du hast's nicht hineingeworfen", rief der Zauberer zornig. Jetzt wagte es der Bauer nicht mehr, das Kalb zu behalten; als er es nun wirklich in den Bach warf, rann das Wasser blutigrot daher, und an den beiden Seiten des Flusses schwamm auf einmal lauter Wild herum.

Eines Tages hatte aber die Kuh in seinem eigenen Stalle ein weißes Kalb geworfen. Als sich der Oberleitner davon überzeugt hatte, wurde er leichenblaß und befahl seinem Knecht, alle seine Bücher in die Rienz zu werfen. Der Knecht legte aber etliche davon heimlich auf die Seite, weil er daraus nun selber die Zauberei lernen wollte, und warf die übrigen in die Rienz. Dem Oberleitner war dieses Schelmstück genau bekannt, und er gebot dem Knecht neuerdings, die Bücher ins Wasser zu schaffen. Der Knecht kam diesem Auftrage wieder nur teilweise nach und behielt das eine und andere Buch zurück. Erst als der Oberleitner ihm zum drittenmal befahl, die Bücher ins Wasser zu werfen, wanderten auch die letzten in die Rienz. Wie er die ersten Bücher ins Wasser schmiß, schäumte dasselbe bloß auf, als die zweite Ladung folgte, schäumte und zischte das Wasser, daß es dem Knecht graute, und als die letzten hineinflogen, warf der Fluß zornig die Wellen über die Ufer herein.

Darnach bekehrte sich der Zauberer schnell, bevor der Teufel ihn zu holen kam, und tat Buße. Seitdem aber richtete er seine Augen nie mehr zum Himmel empor, sondern schaute immer nur auf den Boden, aus lauter Reue.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 665 - 667