WIE DER POSTMEISTER VON DER VINTL DEN SCHATZ HEBT
UND DIE KIRCHE BAUT

Im alten Schloß zu Niedervintl ist sehr viel Gold vergraben. Man sieht genau die Schatzgrube, eine große Steinplatte deckt sie zu, darunter liegen sieben Eselssäume des kostbaren Metalls, in allen möglichen Formen, getrieben und ungetrieben. Die Bauern wissen den Ort, jeder kann ihn sehen, doch nicht jeglichem ist es gegönnt, den Schatz zu heben. Schon viele haben die Grube aufgetan, aber nichts gefunden. Wenn der Schatz blüht, und das offenbart sich in vielen blauen Flammen, dann muß der Rechte kommen, und er hat ihn.

Der Postmeister Peintner von der Vintl war der Rechte; aber er hat nicht den ganzen Schatz bekommen, ein Teil ist noch für mich oder dich aufgehoben. Der Peintner also ist in der rechten Nacht hinauf und hat gegraben. Da erschien ihm eine Frau, die ihn so in Schrecken setzte, daß er davonlief. Aber er kam wieder zurück und probierte es noch ein zweites Mal. Die gespenstige Frau verjagte ihn auch diesmal. Der Peintner, wie er weg war, lachte sich selber aus, und das Gold mußte er doch haben. Er kehrte abermals zurück und nahm sich fest vor, sich vor einem Weibe nimmer zu fürchten. Diesmal nahm er ein Krüglein Weihwasser mit, und als die Frau sich zeigte, sprengte er dreimal nach ihr, und sie verschwand. Jetzt konnte er ungehindert graben und schleppte sich am Gold, das er fand, halbtot ins Dorf hinab. Es waren etliche Säume des goldenen Schatzes, die er forttrug.

Nun hatte der Peintner ein großes Stück Wald, der nach Rodeneck gehörte, unrechtmäßig in seinen Besitz gebracht. Das Gewissen machte ihm Vorwürfe und gönnte ihm keine ruhige Stunde mehr. Wie die Missionspater kamen, klagte er einem der frommen Ordensleute seine Not, und der trug ihm auf, den Wald zurückzugeben und zur Sühne eine neue Kirche zu bauen, denn die alte war längst schon zu klein fürs Dorf. Aber er wußte nicht, wohin er die Kirche bauen sollte. Da sagte ihm der Pater, wo zur bestimmten Stunde ein Rabe herumfliegen werde, da sei die rechte Stelle für den Bau. Des anderen Tages flog ein Rabe daher und einigemale im Kreise herum und ließ sich sodann auf den Boden nieder. Da wurde nun die neue Kirche erbaut.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 561