DAS "TOTENGESCHREI"

Ein Tauferer ging einmal in der Nacht zur Spielhahnjagd durch das Reintal auf den Berg. Beiläufig zehn Minuten, bevor er zur Burg auf dem Tobel kam, hörte er schreien, und zwar immer in gleichem Tone. Zuerst dachte er sich: "Jetzt muß ich mich vorwärts machen, da vorn gehen gewiß auch etliche auf die Spielhähne." Aber bald blieb er wieder stehen und horchte, er hatte nie eine solche Stimme gehört. Er geht weiter, und jetzt schreit es abermals, aber weiter drinnen, hinter der Burg. Es schüttelte den Mann, und die Haare standen ihm "ga Berge"; aber er dachte, zurückgehen soll man nie, auch sei er auf keinem unrechten Wege. Daher ging er wieder vorwärts, "geaht's, wia's will". Er kommt der Stimme auf zwei bis drei Schritte nahe, und da ist ihm, als wär's eine Totenstimme. Nach zwei weiteren Schritten schreit's auf einmal drüben bei der Burgkirche, und immer gleich fort, und er hört noch das Schreien bei der Kirche, bis er ein Stück im Reiner Wald drinnen ist.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 585 f.