DIE PEST IN EGGENTAL UND WELSCHNOVEN

Auch in Eggen entvölkerte die Pest vor "gar langer Zeit" viele Höfe. Unter anderen kam auch der Gallmetzerhof zur selben Zeit ab. Die Gallmetzerleute starben aus, und man sah keinen Rauch mehr aufsteigen. Jetzt getraute sich erst recht kein Mensch mehr hinein.

Nach einigen Tagen wollte man aber doch nachschauen; die Leute stiegen zu den Fenstern hinauf und sahen wohl die Toten so herumliegen. Ein Kind aber war noch am Leben und gesund und sprang in seinem Unverstand lachend in der Stube herum und über die Leichname. Es war aber überaus scheu und wollte nicht herausgehen. Hineinzugehen getrauten sich wieder die Leute draußen nicht wegen der Pest.

Da fiel ihnen endlich etwas ein. Beim Hof stand ein Apfelbaum und daran hingen pausbackige Äpflein, das eine schöner als das andere. Sie nahmen also den schönsten Apfel und hielten ihn an das Fenster. Ihre Köpfe duckten sie aber so tief nieder, daß sie das Kind nicht sehen konnte. Wie nun das Kind, vom herrlichen Apfel angelockt, mit seinen Händlein darnach griff, wurde es gefangen und durch das Fenster herausgezogen. Sie nahmen es mit ins Dorf hinab, wo es barmherzige Bauersleute annahmen und aufzogen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 372 f.