WAS DIE LEUTE VOM SCHLOß SCHENKENBERG ERZÄHLEN

In dieser Ruine ging es oft gar unruhig her. Um Mitternacht war sie manchmal hell beleuchtet, und man hörte ganz deutlich dort Kegel schieben. Die Kegler sollen geisternde Ritter und die Kegel golden gewesen sein. Wenn es aber dann morgens zum Ave Maria läutete, sprangen die Geister mit lautem Pfeifen in den Schlernbach hinunter.

In den Kellern sollen große Schätze liegen, von denen viel und oft erzählt wird. Vor langer Zeit wollte ein Büblein sehen, was im verfallenen Schlosse zu sehen und zu holen sei. Heimlich stahl es sich von daheim fort und ging auf die Burg zu. Da packte doch ein Gruseln den Knaben, und er wollte sich im Dunkel nicht ins Schloß wagen. Da wurde es auf einmal im Schlosse hell, und jetzt gewann er wieder Mut, und die Neugierde trieb ihn an. Durch ein Tor und einen langen Gang kam er in eine große Halle, wo gepanzerte Ritter mit langen Bärten Kegel schoben. Die Kegel waren golden, die Kegler stumm, denn sie redeten kein Wort, sondern nickten nur mit dem Kopfe einander zu oder deuteten mit den Fingern. Nur wenn alle neun fielen, lachten sie und tranken aus silbernen Krügen.

Auf einer Bank im Hintergrund saß eine schöne Jungfrau mit goldenen Haaren. Sie ging aber bald zu dem armen Bübl und sprach: "Kortim jetzt mit mir! Ich zeige dir einen Schatz und schenke dir ihn." Dreimal sagte sie es und wollte ihn zur Schatzkammer führen. Aber das Bübl fürchtete sich vor den Rittern und ging nicht mit. Da tat es einen Krach, denn ein Ritter hatte wieder alle Kegel umgeworfen, und mit lautem Pfeifen verschwanden die Ritter und die Jungfrau - und es war stockfinster im Saale. Morgens erwachte das Bübl auf der Wiese vor dem Schlosse und erzählte den Leuten, was es gesehen habe. Niemals mehr ging es in das Schloß hinauf, um den Schatz zu suchen.

Vor vielen Jahren wollte der Pächter auf dem Schloß Schenkenberg auf die Alm fahren, um Heu zu holen. Als er um Mitternacht zum Stall ging, um vorher noch die Ochsen zu füttern, fuhr auf einmal ein großer Wagen daher, von acht kohlschwarzen Rossen gezogen; darin saßen mehrere kohlschwarze Herren, nur einer war etwas lichter gekleidet. Dieser saß zuhinterst im Wagen und schien recht traurig. Die schwarzen Herren waren im Leben ungerechte Besitzer des Schlosses Schenkenberg gewesen und hatten es gut gewußt, daß es nicht ihnen gehörte; der in dem helleren Gewande wußte es aber nicht und mußte doch mit den andern büßen, daher war er so traurig.

Als hundert Jahre darnach am Haus etwas gebaut wurde, ging der damalige Pächter spät abends noch in die Küche und sah einen Korb voll glühender Kohlen auf dem Herd stehen. In der Meinung, die Kohlen wären von den Bauleuten vergessen und sodann durch irgendeine Unvorsichtigkeit zum Glühen gebracht worden, goß er Wasser darauf. Da waren sie auf einmal verschwunden, und der Pächter hörte jemand durch den Hausflur hinaus jammern und schluchzen: "Jetzt bin ich wieder hundert Jahre verdammt!" klagte es; "hättest du etwas Geweihtes auf die Kohlen geworfen, so wäre ich erlöst, und der Korb voll Gold gehörte dir!"

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 515, S. 287 (Geister auf Schreckenberg) und Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 394 f.