Die weinenden Bäume

Die "Rachmahlder" beginnen in der Heiligen Nacht und enden am Kinigabend. In jenen 12 Tagen kann der Zaunkönig ungestört auf- den Hofwegen herumhüpfen, die Krähen fliegen ob der großen Kälte hin und her und die Männer hüten sich, Bäume zu fällen und auf die Jagd zu gehen.

Die Bäume sind wie die Christen: sie leiden und weinen, wenn sie geschlagen oder verletzt werden. Nicht einmal der Frost ist imstande, den Saft zu stillen. Und wenn jemand - ein verantwortungsloser, gefühlloser Mensch sogar beim leisen Weinen der Haselnußstaude während der Heiligen Nacht - das Beil nimmt und in den Wald geht, wird er vernehmen, wie die Bäume erschaudern.

"Schneide mich nicht ab, schneide mich nicht ab, schneide mich nicht ab",

stöhnen die Bäume im hohen Schnee.

All dies geschieht während der zwölf heiligen Tage der "Rachmahlder".

Quelle: Das Tal der Mòcheni, Aldo Gorfer, Calliano 1973, S. 42