DER LORGG IN LAUREIN

Der alte Schmied-Toni ging einmal nachts durch den "Wasch" herauf. Da kam ein Esel ganz nahe an ihn heran und stand still, als wollte er ihn einladen zum Aufsitzen. Da dachte der Toni: Schlecht geritten ist besser als gut gegangen - und setzte sich auf den Rücken des Esels! Kaum aber saß er darauf, da ging es im Sturmwind durch die Nacht, als wäre es der Leibhaftige selbst! Als der Schmied am Morgen erwachte und sich die Augen ausrieb, da erkannte er, daß er auf einem Platz acht Stunden von Laurein entfernt war.

Ein alter Lahnerbauer ging von Brez über das Britschner Jöchl heimzu. Auf der Achsel trug er einen Sack mit Fisolen, die er in Brez gekauft hatte. Ein Stück unter dem Jöchl holte ihn ein Esel ein und drehte sich ihm zu, als ob er zu ihm sagen wollte: "Sitz doch auf!" Der Lahner aber saß nicht auf, legte aber den schweren Fisolensack auf den Rücken des Esels. Kaum hatte der Esel den Sack auf dem Rücken. lief er eilends davon - und der unkluge Bauer hatte das Nachsehen!

Als er daheim - ohne Fisolen - ankam, greinte die Frau: "Einerseits ist dir recht geschehen, aber schade ist es doch um die Fisolen. Aber du weißt doch: wer sich mit dem Lorgg einläßt, kommt immer zu Schaden!" Wer der Lorgg eigentlich sei, wußte man nicht, doch glaubte man allgemein in Laurein, daß es der Leibhaftige selbst sei, der sich in Tiergestalt dem Menschen nähere, um ihm irgendwie Schaden zuzufügen.

Quelle: H. Ungerer in: Der Schlern, Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde, 1961, S. 147 f.