DER SCHWATZHAFTE OBERKOFLER

Der Bauer am Hof zum oberen Kofel in Ulten hatte ein Saliges Fräulein um die Ehe gefragt und erhielt die Zustimmung unter der Bedingung, daß er niemals jemandem verraten dürfe, daß sie eine Salige sei.

Dies versprach der Oberkofler hoch und teuer und hielt Hochzeit. Übers Jahr stand auch schon ein kleiner Schreihals auf dem Hofe ein, und alles schien sehr gut, zumal es mit dem bisher immer etwas notigen Oberkoflerhof auch immer besser aufwärtsging. Dann aber hatte der Oberkofler im Wirtshaus einmal ein Gläschen zuviel getrunken und begann, wie dies in einem solchen Zustand bei manchen Männern gern geschieht, zu prahlen. Als ihn seine Zechgenossen daraufhin föppelten und auslachten, zog er seinen Trumpf und sagte: "Ihr braucht gar nicht zu lachen! Denn ich habe die schönste und vornehmste Frau weitum - nämlich eine Salige!" Wie er spätabends nach Hause kam, fand er weder Frau noch Kind mehr. Die Wiege war leer und schon ganz ausgekühlt, und auch im Herd war alles Feuer erloschen. Er wunderte sich sehr darüber, aber als seine Frau auch am nächsten und übernächsten Tag nicht kam, besann er sich wohl auf das, was er mit seiner Prahlerei und Schwatzhaftigkeit angerichtet hatte. Doch die Frau und das Kind kamen nie mehr zurück.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Innsbruck 1859, S. 27