LAUREINER SCHATZSAGEN

Eine alte Ungererbäuerin fand einmal auf dem "Häuselplatzen", einer örtlichkeit eine Wegstunde nördlich von Laurein, eine Menge Glasscherben, als sie den Mähern das Mittagessen auf die Wiese nachtrug. Wundershalber steckte sie eine dieser Glasscherben in den Sack. Wie staunte sie aber, als sie daheim die Scherbe aus der Tasche holte und sich diese in ein funkelndes Goldstück verwandelt hatte!

In der Heiligen Nacht könnte man auf dem "Häuselplatzen" einen reichen Schatz gewinnen. Denn um die Mitternachtsstunde dieser Nacht kommen dort oben auf einmal sechs Männer von der westlichen Talseite, den "Gfölldern", her und tragen auf zwei Eisenstangen einen großen Sarg mit sich. Wenn man dann oben auf der Ebene etwas Geweihtes auf diesen Sarg legen würde, so würden die gespenstischen Träger stillstehen, und man könnte dann nach Herzenslust aus dem Sarge Kostbarkeiten nehmen.

Ein anderer Schatz soll bei den "Brüggeler" in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen zu heben sein. Gerade um Mitternacht kommt dort ein Esel mit zwei Tragkörben über die Brücke her - und auch hier müßte man nur etwas Geweihtes in die Körbe legen, dann könnte man den ganzen Schatz gewinnen.

In derselben Nacht und zur selben Stunde ist in der Laureiner Gegend auch noch eine zweite Schatzfuhre unterwegs. Denn da kommt über das "Britschnerjöchl", das von Laurein nach Castelfondo bringt, ein Fuhrwerk gefahren und ein geheimnisvoller Mann reicht aus dem Wagen einen Bronzehafen voll schimmernder Goldstücke heraus. Um mit diesem Goldschatz glücklich zu werden, müßte man den Dank dafür mit vielen Vergelt's Gott für die armen Seelen abstatten.

Quelle: H. Ungerer in: Der Schlern, Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde, 1961, S. 145 f.