DER ROßSPRUNG

Wo sich von Aldein das Mittelgebirge gegen Branzoll hinabsenkt, liegt der Roßsprung; so heißt ein Teil des Berghanges. Ein kecker Reitersmann, manche sagen, es wäre der gefürchtete Raubritter vom Schloß Leiter gewesen, wurde von seinen mehrfach überlegenen Verfolgern bedrängt und auf den äußersten Rand der schroffen Felswand getrieben. Vor ihm gähnte der Abgrund, hinter ihm drohten die Feinde.

In seiner Verzweiflung brach er nun in ein gellendes Gelächter aus, spornte das Roß an und setzte verwegen in den Abgrund. Als die Verfolger über der Felswand standen, trauten sie ihren Augen kaum, indem sie unten den bereits zerschmettert Geglaubten auf der Straße talab reiten sahen. Hohnlachend schaute er zu ihnen hinauf und lud sie mit einer Handbewegung zu gleichem Sprunge ein.

Seitdem heißt die jähe Wand der Roßsprung.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 456