WIE DIE FAßBINDER VON AUER NACH DEM SCHATZ AUSGEHEN

Vorzeiten lebte ein Faßbinder in Auer, der ein Sonntagskind war. Die simple Faßbinderei trug ihm zu wenig ein, und es deuchte ihn manchmal, das Glück müsse ihm, gleich den Dornstauden vor seinem Haus, in die Höhe schießen und an jedem Zweig zum mindesten ein Dukaten dran. "Wißt ihr", sagte er eines Tages zu seinen zwei Gesellen, "daß oben auf Castelfeder ein Schatz vergraben liegt? Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Wenn wir darnach aus sein wollen, kann's uns nicht fehlen, denn ich bin ein Sonntagskind. Wollt ihr mittun?"

Des waren die Gesellen zufrieden, und sie machten unter sich aus, den Schatz zu teilen. Ein Teil, so war's von alters mit gefundenen Schätzen der Brauch, sollte der Kirche zukommen, der zweite Teil gehört den Armen und der dritte und letzte dem Schatzheber. So schritten sie, als die Nacht hereingebrochen war, Castelfeder zu, machten sich alsbald an die Arbeit und gruben und gruben aus Leibeskräften, ohne ein Wort zu sprechen; denn das hatte der Binder in den Büchern gelesen und sich vorher ausbedungen.

Als es nun Mitternacht war, stießen die drei auf eine schwer beschlagene Eisentür, welche sich von selbst emporhob. Dahinter tat sich ein weites Gewölbe auf, von einem unheimlichen Funkeln erhellt, und eine große eiserne Kiste lag geöffnet vor ihnen, bis an den Rand mit lauter Gold gefüllt, daß den dreien das Herz im Leibe lachte. Der Meister warf schnell seinen geweihten Rosenkranz auf das Gold und der Schatz war festgebannt.

Weil nun aber die drei todmüde waren, setzten sie sich auf einen Stein und aßen und tranken. Indem geschah es, daß einer der beiden Gesellen das Gold lüstern betrachtete; so in Gedanken sagte er: "Das wird ein Leben sein! Mit den Bindern" - wollte er fortfahren, da - ein Ruck, und die Goldkiste poltert in die Tiefe zurück, trotz des Geweihten, das darauf lag, und die Eisentüre fällt von selber ins Schloß! Die drei aber standen betrübt auf und gingen leer heim.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 516