GEISTERHUNDE
1.

Zwei Diebe aus Burgeis waren nachts in den Obstgarten des Widums in Mals gestiegen und füllten mit Äpfeln ihren großen Sack. Da kam plötzlich ein großer, schwarzer Hund daher, sprang auf den Baum zu und kletterte rasch wie eine Katze hinauf. Die warfen den Sack über die Mauer und schwangen sich von einem Aste über die Mauer auf den Weg und gingen heimwärts. Aber der Hund war ebenfalls über die hohe Mauer gesprungen und trottete den beiden Dieben nach. Sie liefen bis zum Kreuze, das zwischen Mals und Burgeis steht. Da sagte der Sackträger: "Luis, nimm du den Sack! dann will ich das Ludervieh schon zurückjagen!" Er gab den Sack ab und ging auf das Tier los. Dieses aber stellte sich und seine großen Augen funkelten wie Feuer. Da warf der Träger den Sack fort und beide liefen über Stock und Stein gegen Burgeis, der Hund ihnen nach. Im Dorfe waren alle Türen geschlossen und sie liefen, da sie nirgends Einlaß fanden, bis zum Ende des Dorfes, der Haide zu, da war ein Stall offen, in diesen sprangen sie hinein und schlugen die Türe zu. Auf dieser war, wie üblich, ein geweihtes Kreuz befestigt, und deshalb konnte der Hund nicht durchkommen. So legte er sich knurrend vor das Tor und erst, als Ave-Maria geläutet wurde, verschwand er. Andere erzählen, der Hund sprang einem der beiden Diebe auf den Rücken und er mußte das unheimliche Tier, das furchtbar schwer war, bis auf denPestplatz tragen, wo ein großes Pestkreuz steht. Da war das Gespenst verschwunden. (Mals.)

2.

Als einmal ein Mann bei geschlagener Nacht von Lichtenberg nach Glurns ging, begleitete ihn plötzlich ein kleiner, schwarzer Hund mit feurigen Augen. Er ging hart neben seinen Füßen einher, und alle Versuche, das Tier abzuschütteln, blieben erfolglos. Nur sobald sie zu einer Kapelle oder einem Wegkreuz kamen, winselte der Hund laut auf und verschwand - aber nur, um einen großen Umweg um die Kapelle oder das Wegkreuz zu machen, und kehrte dann wieder zu dem verschreckten Wanderer zurück. Erst bei dem Söleshofe verschwand das unheimliche Tier.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 345, S. 203 (Auszug)