DIE SALIGE IN MALS

Auch in Mals sind die Saligen bekannt. Sie hatten ihre Wohnungen westwärts von Mals in den Gebirgsschluchten gegen die Schweizer Grenze hin. Man sagt, im Reiche der Saligen hätte es ebenfalls teure Zeiten, wie unter uns gewöhnlichen Menschen, gegeben, auch die Saligen hätten dann und wann ihre Hungersnot gehabt. In solchen Zeiten hätten sich die jüngeren, rüstigen Saligfräulein bei verschiedenen Bauern als Mägde verdingt, und wo eine Salige bedienstet war, ging es mit dem Hauswesen flott vorwärts und war nie Zank und Streit im Hause.

So hatte eine Salige Dirn, die in der Nähe von Mals im Dienste stand, das Vieh zu pflegen. Der Bauer durfte mit ihr wohl zufrieden sein, denn unter ihrer Pflege gedieh das Vieh recht gut, die Kühe gaben reichlich Milch, die Källblein wuchsen heran, daß es eine Freude war, und im Stall gab es kein Unglück.

Man sagt, länger als sieben Jahre dürfe keine Salige auswärts sein, nach dieser Zeit werde eine jede heimberufen. So war also die Salige sieben Jahre treu und redlich Küherin gewesen. Eines Tages im Kornschnitt, und da muß beim Bauern alles hinaus aufs Feld, was gehen kann, war die Dirn mit dem Bauern auf dem Acker und schnitt und schnitt. Auf einmal ließ sich auf der Höhe des benachbarten Berges eine Jungfrau sehen, welche der Saligen auf dem Acker zurief: "Stutzli-Mutzli, der Vater is krank, du sollst heimkommen!" Da legte die Dirn ihre Sichel weg, begann heftig zu weinen und stieg eilends den Berg hinan. Niemand hat sie seither wieder gesehen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 520