Der weiße Lärchbaum

Da war in Karthaus ein Carabinieribrigadier, der unter seinem Dienstrock eine schneeweiße Wolljacke trug. Nicht selten knöpfte er seinen Rock auf und ließ dabei seine weiße Jacke sehen.

Knorriger Baum im Pfossental © Berit Mrugalska
Knorriger Baum im Pfossental (Naturpark Texelgruppe)
© Berit Mrugalska, 2. September 2006

Drei Schmuggler trugen vom Eishof ihre Schmuggelware heraus. Zur Vorsicht traten sie ihren Heimweg immer zur Nachtzeit an. Sie schritten hintereinander durch den Wald heraus, abseits des Weges. Aug und Ohr war jederzeit angespannt. Auf einmal sahen sie nicht weit vor ihnen den Dorfbrigadier stehen mit der weißen Unterjacke. Geradewegs schaute er zu ihnen herüber. Auf eins, zwei warfen sie die Last weg und rannten Hals über Kopf den Berg hinunter. Dabei verlor einer seinen Hut. Ein neuer Schreck, denn der Hut konnte sie verraten! Angestrengt horchten sie zurück, ob sie nicht etwa Haltrufe, Schritte oder Schüsse hörten. Alles blieb totenstill. Sie blieben stehen, überlegten und kehrten wieder um. Wieder sahen sie die weiße Jacke des Brigadiers. Sie redeten laut, husteten, doch niemand rief sie an. Sie näherten sich dem weißen Fleck und siehe, von einem alten Lärchbaum war am Vortage die dunkle Rinde herabgefallen und dahinter leuchtete das weiße Holz des Stammes. Wahrscheinlich hatte ein Reh mit dem Geweih daran gefegt. Die drei brachen in helles Lachen aus. Den Hut haben sie bei Tageslicht gesucht, aber nicht mehr gefunden.

Quelle: Die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, Rudolf Baur, Bozen 1970, S. 92.