DER ALTE STALLWIESER

In Martell lebte einst ein leidenschaftlicher Schütze und Jäger, der Stallwieser hieß. Einmal ging dieser an einem Sonntage in aller Frühe auf die Jagd und kümmerte sich kein Haar um Messe und Predigt. So pirschte er herum, bis es zur heiligen Wandlung im Dorfe läutete, da sah er plötzlich einen weißen Hirsch, den er nun über Stock und Stein, durch Feld und Wald verfolgte. Das edle Wild sprang an einer Wand empor, der Schütze eilte nach. Endlich glaubte er, Schußnähe zu haben, zielt, drückt - und der Hirsch war verschwunden. Der Stallwieser aber stand an einem unzugänglichen Felsen und fand keinen Rückweg mehr. Er mußte auf der öden Klippe eines jämmerlichen Hungertodes sterben. (Martell.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 286, S. 174