VOM ALTEN TAPPEINER

Ein alter Volksreim sagt:

"Pinet, Lechtl und Tappein
sein die drei schönsten Höf, die im Landl sein."

Auf dem letztgenannten Gute saß vor langer Zeit ein Bauer, der in allerlei Künsten wohlerfahren war. Deshalb wird von ihm heutzutage noch viel erzählt, darunter folgendes: Einmal wollte der alte Tappeiner einen Stadel bauen. Er ließ deshalb an einem Sonntag abends zwölf Zimmerleute kommen, damit sie am Montag den Bau anfingen. Diese sahen aber nirgends Bauholz bereit liegen und wollten deshalb wieder nach Hause gehen. Da sagte der Bauer: "Nur Geduld! Was fällt euch ein! Bleibt nur da, und ihr sollt morgen schon sehen, daß an Holz kein Mangel sein wird. Doch seid gescheit und schaut - wenn's in der Nacht einen Lärm gibt - nicht zum Fenster heraus!" Die Zimmerleute gaben sich damit zufrieden und gingen schlafen. Um Mitternacht wurden sie aber durch einen Höllenlärm geweckt. Wagen rasselten, Rosse stampften und wieherten und Holz wurde unter schrecklichem Gepolter abgeladen. Da wunderte es einen, und er schaute zum Kreuzfenster hinaus. Alsogleich wurde ihm der Kopf abgerissen. Nach einer Stunde verstummte der Lärm, als ob eine Mühle abgekehrt wäre. Als die Zimmerleute morgens erwachten, fanden sie den Rumpf des Vorwitzigen in der Kammer und seinen Kopf auf der Gasse liegen. Auch lag Holz genug auf dem Bauplatz. Die Teufel hatten es in der Nacht gebracht.

Ein anderes Mal ritt der alte Tappeiner in so schnellem Galopp von Schlanders zu seinem Hof hinauf, daß das Roß, als er bei seinem Hause ankam, tot zur Erde fiel. Während des Rittes aber hatte der Teufel den ganzen Weg vom Sehlanders bis Tappein pflastern müssen.

Der Tappeiner hatte auch ein Hexenbüchlein und ließ es einmal unvorsichtiger Weise an einem Orte liegen, wo jedermann dazukommen konnte. Während er nun zur Messe in die Kirche gegangen war, die fast eine Stunde vom Gehöft entfernt war, bekamen die Kinder das Büchlein in die Hände und lasen darin.

Obwohl die Kleinen nichts davon verstanden, so hatten die Formeln doch ihre Wirkung. Denn als der Bauer von der Kirche zurückkam, war die ganze Stube voll schwarzer Geister. Erschrocken sah er sich um und bemerkte endlich das Büchlein in den Händen der Kinder. Er entriß es ihnen schnell, um der unlieben Gäste nicht noch mehr zu bekommen. Was war nun zu machen? Bei allen Zauberformeln in seinem Büchl wurde ihm jetzt angst und bang; denn die Schwarzen wollten nicht so leer wieder abgehen, sondern forderten eines aus den Kleinen zum Opfer. Da kam ihm ein pfiffiger Einfall. Er schloß einen Vertrag mit den Teufeln, daß sie ihr Opfer nehmen könnten, wenn sie ein von ihm ringsum ausgesätes Star Mohnkörner bis auf den letzten Kern sammelten, und zwar in der Zeit, bis er das von den Kindern früher Gelesene wieder rückwärts gelesen hätte. Die Teufel gingen auf den Vorschlag ein und flugs verteilte sich eine ganze Armee derselben nach allen Seiten, um die Körnlein aus Gruft und Kluft, aus Ritzen und Spalten herauszusuchen. Und sieh! Noch ehe der Bauer mit seinem Rückwärtslesen fertig war, standen die Bocksfüßler schon mit dem anbefohlenen Funde da und forderten den Lohn, den sie ausbedungen hatten. Da fragte der Bauer: "Habt ihr sie alle bis auf den letzten Kern?" Und auf ihre Bejahung zeigte er aufs Weihbrunnkrügl, in das er auch drei hineingeworfen hatte, mit den Worten: "Da wären auch noch etliche." Da rümpften die Teufel die Nasen und mußten leer abziehen. (Schlanders.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 812, S. 474