Der Totenkopf auf Untermayr



An Feiertagen haben sich schon öfters Bauersleute auf Untermayr verspätet. Bei einem Kartenspiel fühlte man sich so wohl und heimisch! Wiederum waren noch vier kecke Burschen da und vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen: Der Gabriel, der Steffi, der Kaspar und der Xander. Bisher hatten sie Wein ausgespielt. Jetzt schlugen sie vor, wer verspiele, müsse einen Totenkopf von der Beingruft herabtragen. Der Kaspar hatte Pech und verspielte. Wohl oder übel mußte er den Totenkopf holen. Nach einiger Zeit trat er mit einem Totenschädel unterm Arm in die Stube. Er legte ihn mitten auf den Tisch, doch jedem war nicht mehr recht zumute. Man schaute auf die Uhr und schlug vor, die Unterhaltung bald zu beenden. Doch den Totenkopf sollte man schon wieder in die Beingruft zurücktragen. Niemand ließ sich herbei. Wiederum sollte es ein Kartenspiel entscheiden. Diesmal verfolgte das Unglück den Gabriel. Nur ungern trug er den Totenkopf zurück. Kaum hatte er die Stube betreten, lag der Totenkopf wieder mitten auf dem Tisch! Die Burschen sahen ein, daß es jetzt nicht mehr mit rechten Dingen zuging. Man einigte sich, den Herrn Kuraten zu wecken, ihn herabzubitten, daß er sie von der Gottesstrafe befreie. Der Kurat kam ihren Bitten nach. Nach dem Segensgebet sagte er: "Das ist der Kopf von einem Geretteten. Wenn es der Kopf von einem Verdammten wäre, so hätte ich keine Gewalt darüber. Derjenige von euch, der den Kopf herabgetragen hat, trage ihn wieder hinauf." Kaspar meldete sich sogleich, nahm den Totenkopf und trug ihn in die Beingruft zurück. Siehe, jetzt blieb er droben.

Quelle: Die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, Rudolf Baur, Bozen 1970, S. 107.