Die drei Schwestern

An einem heiligen Tag, dem Liebfrauentag, gingen drei Schwestern in die Wälder, um Heidelbeeren zu pflücken. Die Glocken riefen zum Gottesdienst, eindringlich und mahnend, und die jüngste der Schwestern hörte wohl ihr Gewissen rufen und horchte ins Tal hinunter. Aber die älteren Schwestern trieben sie zur Arbeit; denn sie wollten volle Körbe und guten Gewinn. Als sie abends heimkehrten, spotteten sie über die frommen Beter, die in der Kirche und auf dem Sonntagsbänklein den Tag vertrödelten, überdachten ihr Geschäft und rechneten den guten Verdienst aus.

Da begegnete ihnen eine wunderschöne, holde Frau. Sie hielt die Mädchen an und bat sie um einige Beeren für ihr krankes Kind. Aber seht, die habgierigen Mädchen hatten kein Herz und kannten keine Milde und kein Erbarmen. "Das wäre noch", sagten sie, "wir sollten den ganzen Tag pflücken und dann alles verschenken. Holt selber Beeren, es gibt noch viele im Wald!" Sie verweigerten die Gabe und wollten ihres Weges ziehen.

Da sprach die holde Frau, und ein wunderschöner Schein umstrahlte ihr Gesicht, denn es war niemand anders als die Gottesmutter: "Oh, ihr Mädchen! Ihr habt ein Herz von Stein! Den heiligen Tag habt ihr geschändet, ihr zeigtet keine Barmherzigkeit und keine Liebe, und so sollt ihr wie euer Herz zu Felsen erstarrt sein!"

Seither stehen die " Drei Schwestern " trotzig, stolz und einsam über dem Rheintal.

Quelle: Dino Larese, Liechtensteiner Sagen, Basel 1970, S. 39