Der glockentragende Teufel

Als anständiger Christenmensch muß man eigentlich sein Vergnügen daran haben, wie der Teufel immer wieder genarrt und lächerlich gemacht wird. Davon weiß man im Liechtensteinischen manches zu erzählen. Aber eine der schönsten Geschichten scheint mir doch die fröhliche Legende des heiligen Theodul zu sein, der im Wallis als erster Bischof lebte und dessen Andenken die ins Liechtensteinische eingewanderten Waiser hoch in Ehren hielten, wird er doch in vielen liechtensteinischen Kirchen verehrt, wo man ihm ganz vertraulichfamiliär den Namen Sankt Joder gegeben hat.

Da hatte also der heilige Theodul vom Papst in Rom eine grosse schöne Glocke geschenkt erhalten. Nun dachte er lange darüber nach, wie er dieses gewichtige Geschenk über die Alpen bringen konnte; denn damals standen nicht die heutigen Transportmöglichkeiten zur Verfügung. Da war ihm der Teufel gerade günstig über den Weg gelaufen - man sieht, daß der Teufel auch für heilige Dinge in Frage kommt -, der Bischof hatte ihn nämlich mit heiligen Worten aus einem Besessenen ausgetrieben und in die Gewalt bekommen. Nun zwang er den knirschenden Teufel in die Knie, er mußte die Glocke auf den Rücken nehmen und, ob er wollte oder nicht, sie den langen Weg durch die italienischen Gefilde über die unwegsamen Alpen bis nach Sitten tragen. Unterwegs fluchte und schwitzte er, und vielleicht unternahm er auch den Versuch, die Glocke irgendwo in eine Felsschlucht zu werfen und heimlich davonzuschleichen, denn man kann sich sonst nicht erklären, warum ihn der Heilige an einer Kette führte, wie dies auf vielen Altarbildern zu sehen ist.

Aber der Teufel mußte nicht nur die Glocke tragen, sondern zu anderer Zeit zwang ihn der Sankt Joder, ihn auf seinem Rücken über einen See zu bringen. Er saß auf dem Teufel wie auf einem Pferderücken und lächelte holdselig, während der Teufel schlimme Gesichter schnitt.

In der Mitte des Sees angekommen, dachte er dem Heiligen einen Streich zu spielen und ihn in den See zu werfen. Er streckte seinen Kopf hinauf und krächzte in der Mundart des Landes: "Jöderle, bsegn di, oder i würf ab." Der Heilige aber, der sich durch die Verhunzung seines Namens nicht verdrießen ließ, sagte ganz ruhig: "Ich habe mich am Morgen schon gesegnet." Er lächelte noch freundlicher, und der Teufel konnte sich in der Anstrengung - denn auch Heilige können eine sehr schwere Last bedeuten - nicht einmal dort kratzen, wo es ihn jeweils beißt, wenn ihn der Ärger und die Wut bedrängen.

Das Merkwürdige an der ganzen Geschichte ist wohl dies, daß der Teufel seither in einem Kirchenraum weilt, was für ihn wohl die ärgste Pein bedeutet - man sieht, was Heilige fertigbringen; denn in der Kapelle auf Masescha ist am linken Seitenaltar ein Bild, das den jungen blonden Bischof darstellt, und neben ihm geht der schwergeplagte glockentragende Teufel.

Von der St. Theodulsglocke aber wird berichtet, daß sie mit ihrem hellen unvergleichlichen Klang die schlimmsten Gewitterstürme fernhalten könne, und es heißt daher mit Recht in einem alten Liede:

Gar grusamlich sieht mans in Lufften schyben,
Die Glock thut es vertriben,
Mit ihrem Ton so rych,
Uf Erd is nit ihr Gelych.

Quelle: Dino Larese, Liechtensteiner Sagen, Basel 1970, S. 55