Die Sage vom lichten Stein
Es war einmal ein Bauer, der friedlich seinen Acker pflügte. Böse
Ritter verhöhnten ihn, ritten in den Acker und zerstörten mutwillig
seine Arbeit. Aber gottergeben begann der Bauer sein Werk von neuem. Da
fand er in der Erde, wohl durch den Hufschlag eines Pferdes emporgeworfen,
einen sonderbaren, hellen, lichten Stein. Als er sinnend den Stein betrachtete,
kam ein fremder Wanderer daher und weissagte ihm: " Dieser Stein
spricht die Zukunft über dein Geschlecht aus. Er bringt dir Reichtum,
Ruhm und Ehre, und deine Enkel werden eine Krone tragen und über
das kleine, aber glückliche Land segensvoll herrschen." Was
der Wanderer voraussagte, sollte sich wunderbar erfüllen. Die Märe
vom Bauern und seinem lichten Stein wurde überall an den Herdfeuern
erzählt, und der Bauer bekam zugleich seinen Namen: Er hieß
von nun an " Lichtenstein ". Aus dem Bauerngeschlecht der Lichtenstein
aber wuchs das fürstliche Geschlecht der Liechtensteiner, die nach
dem Wort des Wanderers die Krone trugen und friedvoll über das kleine
Reich am Oberrhein herrschten...
Quelle: Dino Larese, Liechtensteiner Sagen, Basel 1970, S. 7