DER DELISRUTSCH
Es war vor dreihundert Jahren, so wird
erzählt, da hat sich in der Alpe Lawena ein grosses Unglück
ereignet.
Die Alpknechte und der Senn waren gottlose Menschen. Vor dem Alpauftrieb
hatten sie den Ausspruch getan: "Dieses Jahr wird nicht in Gottes
Namen in die Alpe gefahren, sondern in Teufels Namen". Eine Witwe
aber sagte, sie treibe ihre Kuh allein in Gottes Namen auf.
Eines Tages trieben die Alpknechte das Vieh vom Lawenastall gegen die
Rote Wand. Kaum waren die Kühe recht auf der Weide, als sich eine
Felswand löste und mit lautem Getöse zu Tal stürzte.
Alles Vieh und die Herden wurden begraben, nur die Kuh, die in Gottes
Namen aufgetrieben worden war, blieb am Leben.
In einer anderen Fassung der Sage heisst es:
Der Hirt in der Alpe soll ein Riese gewesen sein. Das Felsstück deckte
ihn mit den Kühen zu; nur die Kuh einer armen Witwe blieb geschützt.
Weil der Hirt Deli (Fidel) geheissen habe, spricht man noch heute vom
"Delisrotsch".
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger, Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980,
Nr. 19