DIE DREI SCHWESTERN
Briefmarke Liechtenstein "Drei Schwestern"
Louis Jäger, Ausgabetag 4. Dezember 1969
Die älteste Fassung der Sage finden wir in den "Mythen und Sagen
Tirols" von Alpenburg, erschienen im Jahre 1857:
Im Westen von Frastanz, an der Grenze von Feldkirch, zieht sich eine Gebirgskette
südlich gegen das Fürstentum Liechtenstein hinüber, aus
welcher ein merkwürdiger kahler Gebirgskopf, der zugleich die Grenzmarke
bildet, sich malerisch emporhebt und "die drei Schwestern" genannt
wird, an welchen die Frastanzer Alpen anstossen. Hierüber erzählt
die Sage:
Vor überlanger Zeit kam oftmal ein Venediger Manndl in diese Gegend
und holte von hier, vorzüglich aber vom nahen unbewohnten, jetzt
waldigen Saminathale, welches zwischen den drei Schwestern und dem Ziegerberg
liegt, Gold in Hülle und Fülle. Das Manndl fuhr durch die Luft
mit einem grossen Krug in der Hand von Venedig dahin, stellte den Krug
unter eine Wasserquelle, welche aus einem unterirdischen Goldfluss Goldkörner
mitführte, und bald hatte es denselben voll; dann flog es wieder
heim. Zum Beweise hatte es einmal den Krug voll Gold dortigen Hirten gezeigt,
jedoch die Hessen sich nicht blenden, bekreuzten sich und liessen den
Venetianer gehen, denn sie wussten, dass er ein Zauberer war, der durch
finstere Mächte seine Künste übte, wie alle sogenannten
Venediger-Manndln.
Nun wohnten zu Frastanz drei Schwestern, welche an dem hohen Mariahimmelfahrtstag
leichtsinnig und gottlos statt in die Kirche zu gehen, in aller Frühe
auf den Berg gingen, um Heidelbeeren zu pflücken, die da in Menge
wuchsen, und sie dann in dem nahen Feldkirch verkauften. Da trafen sie
dort den Venediger, der sie anfuhr: Was macht ihr heut da ? - Jene erschraken
im Bewusstsein, einen so hohen Festtag schnöden Gewinnes wegen entheiligt
zu haben und sagten: Nichts ! Nichts! Nichts ! - Da sprach der Zauberer
mit rauher Stimme: so sollt ihr auch zu Nichts werden, als zu drei kahlen
Felsen, ohne Gras und Laub, ohne Bäume und Frucht, und unter euch
soll mein Goldborn verborgen rinnen, und kein Sterblicher soll ihn finden.
Alsbald wurden die drei Mädchen starr vor Schreck und zu Stein vor
dem Fluche; denn dadurch, dass der Zauberer Macht über sie gewonnen
hatte durch ihre Missetat, erlöste es sich und übergab sie an
seiner Stelle dem Bösen.
Noch stehen und starren die drei Schwestern als so viele Felsenhäupter,
aber der Venediger ward nie mehr gesehen, und sein Born quillt nicht mehr
zu Tage, und die drei Schwestern blicken ernst herab in das obere Rheinthal,
auf Vaduz und in das Land Liechtenstein.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger, Nendeln/Liechtenstein,
1966/1980, Nr. 17