DER FEUERROTE GEISSBOCK
Briefmarke Liechtenstein "Der feuerrote Geissbock"
Louis Jäger, Ausgabetag 4. Dezember 1969
In Triesenberg lebte einmal ein sehr reicher, geiziger Bauer. Der sagte
an einem Sonntag zu seiner Frau, seinen Töchtern und dem Knechte:
"Geht in die Kirche, heute bleibe ich zu Hause".
Die Frau und die Töchter gingen, aber dem Knechte war die Rede aufgefallen,
und er wollte sehen, was der Bauer tue. Er legte sich auf den Heustock,
und während dem Wandlungsläuten kam der Bauer mit einem Hafen
voll Gold, hob den Tennboden auf und schüttete das Geld in ein Kessi
hinunter.
Als er fort war, stieg der Knecht vom Heu und nahm etwas Gold weg. Bald
kam der Bauer zum zweiten Male und leerte wieder Gold aus. Als er zum
Kessi hinuntersah, sprach er zu sich: "Mir kommt es vor, als habe
jemand Gold weggenommen, und ich bin doch allein hier". Da traute
sich der Knecht nicht mehr hinunter.
Nachdem der Bauer zum dritten Male gekommen war und Geld eingefüllt
hatte, deckte er den Tennboden wieder zu und sprach: "Zu diesem Golde
soll nur jemand kommen, der einmal beim Wandlungsläuten einen feuerroten
Geissbock in den drei höchsten Namen dreimal um das Kessi herumjagt".
Nach drei Wochen starb der Bauer. Da weder Geld noch Schriften zu finden
waren, gab es ein grosses Jammern bei der Frau und den Töchtern.
Der Knecht aber sagte zu ihnen: "Betet, soviel ihr könnt, damit
ich finde, was ich jetzt suchen gehe !"
Drei Wochen später kam der Knecht mit einem feuerroten Geissbock
zurück. Da lachten die Töchter und die Frau, und sie meinten:
"Wenn wir das gewusst hätten, wegen einem roten Bock hätten
wir nicht so viel gebetet". Der Knecht aber antwortete: "Wartet
nur, was ich mit diesem Geissbock anfangen werde !"
Am Sonntag darauf schickte er die Töchter in die Kirche, mit der
Frau aber ging er und hob den Tennboden auf. Genau beim Wandlungsläuten
jagte er den feuerroten Bock dreimal um das Geld herum. Jetzt sahen die
beiden plötzlich den verstorbenen Mann auf dem Gelde sitzen. Nach
dem Läuten verschwand er und war nun erlöst, sie aber hatten
das Geld.
Zum Lohne durfte der Knecht die älteste Tochter heiraten.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger, Nendeln/Liechtenstein,
1966/1980, Nr. 43