DER RIESE VON GUFLINA
Briefmarke Liechtenstein "Der Riese von Guflina"
Briefmarke Liechtenstein "Der Riese von Guflina"
Louis Jäger, Ausgabetag 20. April 1967


Auf Triesenberg, am Gelände von Silum, wo der Kulm den Übergang ins Saminatal vermittelt, liegt Guflina. Dort wohnte vor vielen Jahren ein Mann von Riesengestalt. Seine Stärke erprobte er an Tannen, die er leicht entwurzelte und mit der Handfläche spielend entastete.

Droben an der Silumer Höhe wölbt sich ein schroffer Felshang, und tief hinein geht eine Höhle. Da drinnen hauste ein Lindwurm von schrecklicher Grosse, beflügelt, am Haupte Hörner, mit Augen wie zwei brennende Fackeln. Der Lindwurm war der Schrecken der Bergleute, weil im Frühling und Herbst, wenn sie die Viehherden auf das Maisäss Silum und die Alpe Bargella trieben, das Ungeheuer zur Nachtzeit die Herde überfiel und grossen Schaden anrichtete. Gross war deshalb die Klage und Not der Bergbewohner.

Da wagte der Riese von Guflina einen Kampf mit dem Untier. Hochaufgerichtet in seiner scheusslichen Gestalt stürzte es ihm wutschnaubend entgegen. Der Riese aber stand vor der Höhle kampfbereit. Schon fühlte er einen schweren Schlag auf seinen Schultern, denn das Ungeheuer versuchte ihm die mit mächtigen Krallen versehenen Pratzen ins Fleisch zu hacken und ihn zu erwürgen. Doch ein Ruck - und der Riese packte den Lindwurm am Halse und drückte ihn mit beiden Händen so stark gegen die Felswand, dass die Knochen krachten und der Rachen ein weithin hörbares Schmerzgeheul ausstiess.

Die Bergleute eilten herbei. Der Lindwurm lag tot am Boden. Da ging ein Jubel durch die Alpentäler. Die Bergler konnten nun ihre Herden wieder sicher auf die Weiden treiben: Der Riese von Guflina hatte sie von schwerer Not erlöst.

Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger, Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 13