DER LOCHGASS-SCHIMMEL



In Vaduz, nicht weit von der Lochgasse, hatte ein hartherziger, geiziger Bauer sein Anwesen. Nichts war vor ihm sicher, selbst Pferde stahl er und fand immer wieder Abnehmer.

Einmal wollte er sogar die Heilige Nacht für sein dunkles Gewerbe benützen, und diesmal ging's über den Rhein.

Kurz vor Mitternacht kam er bei einer Kirche vorbei, wo an einem Mauerhaken ein herrlicher Schimmel angebunden war. Ihn losbinden und einen Sprung in den Sattel, war eins. Die Zügel in die Hand, ein leichter Schlag auf die Flanken, und schon flog das Pferd hellauf wiehernd durch die sternklare Winternacht. Dem Reiter verging Hören und Sehen.

Der Schimmel galoppierte die Lochgasse herauf, und schon meinte der Schelm, er habe seine Beute sicher; da blieb das Ross mit einem Ruck stehen, dass der Reiter in hohem Bogen auf die Strasse flog und dabei das Genick brach.

Seine brechenden Augen weiteten sich mit Entsetzen, denn sie muss-ten noch sehen, wie sich der Schimmel in den Teufel verwandelte.

Lange Zeit musste der Bauer ruhelos als Schimmel die Lochgasse auf- und abirren, bis man dort ein Kreuzbild aufstellte.

Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger, Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 46