DIE GUSCHGER SENNPUPPE
In der Alpe Guschg am Schönberg haben im Sommer einmal die Alpknechte
nicht gerade viel zu tun gehabt und infolgedessen zur Kurzweil allerhand
Spässe getrieben. So haben sie einmal aus Lumpen eine grosse Puppe
gemacht. Sie haben mit ihr geschwätzt, sie auf dem Arm gepöpplet,
ihr auch Milch und Mus gegeben. Manchmal haben sie ihr auch Schläge
gegeben und mit ihr gezankt, weil sie gar nicht zu reden anfangen wollte.
Wie der Herbst kam, haben sie wieder zu Tal fahren müssen, und alle
Knechte haben noch einmal zusammen gegessen. Da hat auch die Puppe wieder
dabei sein müssen, und während des Essens haben sie wieder allerlei
Unfug mit ihr getrieben.
Bevor sie mit dem Essen fertig waren, hat die Puppe auf einmal zu reden
angefangen. Darüber sind alle zusammen sehr erschrocken und sind
mäuschenstill geworden und haben einander nur so angeschaut. Ganz
fürchtige Augen aber haben sie gemacht, wie die Puppe ganz ernst
und böse einen nach dem anderen angeschaut und dann gesagt hat: "Ihr
anderen könnt alle heimgehen, aber der Senn da - und sie hat auf
ihn gezeigt - muss bei mir bleiben".
Weil es denn so hat sein müssen, ist der Senn geblieben, und die
ändern haben abgetrieben. Als sie ein Stück weit von der Hütte
entfernt waren, haben sie an den Sennen gedacht und aus Neugierde noch
einmal zurückgeschaut. Da ist ein Schrecken durch sie gefahren, und
am ganzen Leib haben sie gezittert. Denn auf dem Dach der Sennhütte
haben sie die Haut des Sennen ausgespannt gesehen, und daneben sass die
Puppe und lachte höhnisch.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger,
Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 20