DIE TRAURIGE WEISSE FRAU
In Mäls starb "im Gatter" eine Bäuerin, und die Verwandten
hielten ihr die Totenwache. Da hörten sie draussen eine wunderschöne
Stimme, und sie traten zum offenen Fenster. Bei der Flur "unter dem
Stein" kam eine Frau mit blonden, bis auf die Schulter herabhängenden
Haaren in weissem, langen Kleide daher. Sie liess sich beim Dorfbrunnen
nieder, schritt aber gleich weiter.
Ein Mann schlich ihr nach und bemerkte, wie sich die weisse Gestalt in
"Anaresch" hinsetzte und herzzerbrechend weinte. Dort ist früher
ein Weiher gewesen, und alte Leute meinen, die Unglückliche habe
darin ihr Kind ertränkt.
Eine andere Erzählung berichtet von der Erscheinung:
In der Tracht der alten Edelfrauen war manchmal eine Gestalt zu sehen,
die sich beim Brunnen niedersetzte, ein wunderbares Lied sang und dann
langsam weiterschritt, dem alten Schlösschen zu, und auf dem Wege
weinte sie zum Erbarmen.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger,
Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 30