Das Wichtlein zu Sterpenich

Vor vielen hundert Jahren hauste zu Sterpenich ein Ritter, der seiner Grausamkeit wegen weit und breit gefürchtet wurde. Dieser schickte einst einen seiner Leibeigenen mit einer Botschaft nach dem zwölf Stunden entfernten Metz unter Androhung einer schweren Strafe, falls er ihm die Antwort nicht vor Ablauf des Tages zurückbringe. Der arme Mann begann sogleich aus Leibeskräften auf dem Wege daherzulaufen, um möglicherweise innerhalb der gegebenen Frist sich seines Auftrages zu entledigen. Vor dem Dorfe jedoch harrte seiner ein Zwerg auf einem mit drei weißen Pferden bespannten Wagen, der sich erbot, den Bauer nach Metz und zurückzufahren. Mit Freuden bestieg dieser den Wagen, und so war es ihm möglich, seinem Herrn die verlangte Antwort noch vor Sonnenuntergang zu überbringen.

Der erstaunte Burgherr wollte nun wissen, wie der Bauer es angefangen habe, einen so weiten Weg in so kurzer Zeit zurückzulegen. Dieser erzählte treuherzig den Hergang und fügte hinzu: „Auch hat der Zwerg mir gesagt, er komme in kurzem mit einem anderen Wagen, um Euch zu Eurer letzten Wohnung abzuholen“. Bei diesen Worten stand der Ritter wie vom Blitz getroffen, und mit dem Ausruf: „Sterben – ich!“ brach er zusammen.

Am Abend sah man einen mit vier schwarzen Pferden bespannten Leichenwagen zum Burgtor hinausfahren: es war der Zwerg, welcher den Leichnam des Herrn von „Sterpenich“ mit sich nahm.

L'Evêque de la Basse Moûturie, 26

Quelle: Nikolaus Gredt, Sagenschatz des Luxemburger Landes, Luxemburg 1883