Bischof Friedrich von Utrecht

Als der siebente Bischof von Utrecht gestorben war, da kam Kaiser Ludwig nach Utrecht und ließ einen von seinen Freunden, den er ungemein liebte, zum Bischofe wählen und weihen und gab ihm Stab und Ring und machte ihn zu einem Bischofe. Da hielt der Kaiser auch stattlich Hof und gab ein köstlich Mahl, und dann sprach er zu dem neuen Bischofe: „Mein lieber Sohn, die Kirche von Utrecht hat dich erwählet und erkannt als ihren Hirten, auf dass du mit der heiligen Lehre bekehrest das ungläubige Volk von der Insel Walcheren, welche in deinem Bistume liegt, und wo die Leute überschändlich leben, so dass man sagt, nicht nur schlafe der Bruder bei der Schwester, sondern auch der Sohn bei der Mutter. Darum befehle ich dir, dass du das änderst und sie in den Bann tuest.“ Und als Friedrich der heilige Bischof das hörte, da sprach er zu dem Kaiser und fragte ihn, wenn man einen Fisch abschuppen wolle, wo man da wohl anfange. Der Kaiser verwunderte sich über diese Frage und antwortete: „Ich vermute, dass man zuerst am Haupte beginnen werde.“ Da entgegnete der Bischof und sprach: „O edler Kaiser, ihr habet recht geurteilt, und da ihr, der ein Fürst und Haupt des Christenglaubens ist, eine fleischliche Nichte zu einem ehelichen Weibe habet, so will ich bei euch zuerst anfangen, ehe ich zu des Fisches Schwanze komme. Und ich sage euch, dass ihr sie lassen sollet und Buße tun, oder ich will Bann und Recht der heiligen Kirche über euch fordern.“ Und er predigte dem Kaiser dermaßen, dass derselbe Buße tat und seine Frau entließ.

Quelle: Johann Wilhelm Wolf, Niederländische Sagen, Leipzig 1843