Die erste Kirche in Dordrecht

Nachdem das ganze Land um Dordrecht zum Christentume bekehrt war, wohnte in dieser Stadt ein ehrbares Mägdlein, welche Zuwaert (Sotheris) hieß. Diese gründete daselbst die erste Kirche und zwar mit nur drei Pfennigen, welche sie in ihrem Beutel hatte. So oft sie dieselben auch ausgeben mochte, waren wieder drei andere darin, und der Beutel versagte nie seinen Dienst. Daraus schlossen die Werkleute, welche an der Kirche arbeiteten, dass sie viel Geld haben müsse, denn sonst könne sie ja ein so köstliches Gebäude nicht aufrichten lassen, und darum warteten sie ihrer einst und ermordeten sie, worauf an derselben Stelle alsbald ein schöner Quell sprang. Als sie aber nicht mehr wie drei Pfennige bei ihr fanden, reute sie die grausame Tat und war ihnen sehr leid, und sie wurden gefangen und sollten vom Leben zum Tode gebracht werden. Doch da sprang Zuwaert mit einem Male empor, als wäre sie aus einem tiefen Schlafe erwacht, und erlöste die drei Männer und reiste mit ihnen gen Rom, wo sie Beichte und Buße taten mit großer Erbaulichkeit. Und als der Pabst von dem Wunder hörte, und den Schnitt sah, der an des frommen Mägdleins Halse gleich einem rothen Seidenfaden glänzte, schenkte er Zuwaert große Ablässe für die Kirche von Dordrecht, damit dieselbe fortgebaut und beendet werde.

Wann Zuwaert gestorben ist, weiß man nicht, doch schied sie von hier in Frieden und Seligkeit. Der Quell aber springt noch heute zu einem Gedenkzeichen an das Wunder, welches mit dieser frommen Magd sich ereignet.

Quelle: Johann Wilhelm Wolf, Niederländische Sagen, Leipzig 1843