Die Bergknappen zu Zeiring
Zu Zeiring im Markte beim grünen Specht
Wird lustig gekegelt, gelacht und gezecht,
Gelacht und gescholten, gezecht und geflucht,
Daß kaum noch der Teufel es ärger versucht.
Betrunkene Raufer und zankende Hund’
Und Tänzer und Mädchen durchtummeln sich bunt
Und tief in der Erde klimpert und hackt
Der Hackbrettschläger und stampfet den Takt.
Es träufelt der Wein von Tisch und Bank,
Es laufen am Boden die Taler blank
Und fröhlich lächelt der Wirt darein,
Als hört’ er geigen die Engelein.
Und wißt ihr, wer heute beim grünen Specht
So lustig kegelt, lärmet und zecht,
So jubelt und flucht mit Macht und Kraft?
Das ist die Zeiringer Knappenschaft.
Das Silber im Beutel, das Silber im Schacht
Hat allen die Köpfe wirbeln gemacht;
Sie meinen, es gäb’ keinen Kaiser und Herrn
Und selbst den Gott Vater entthronten sie gern.
„He, Schufte!“ schreit nun der Hutmann laut,
„Heran! Wer zu kegeln mit mir sich getraut,
Den Scheffel mit Talern hier setz’ ich keck,
Daß flugs ich alle neun hinstreck!.“
„Glück auf, Gesellen! Es sei, es sei!“ –
Jauchzt wirr die Rotte mit wüstem Geschrei. –
„Glück auf! Glück auf! die Becher geleert,
Auf daß uns der Satan den Scheffel beschert.“
Da tritt, ein zartes Kind an der Hand,
Gehüllt in ein schlechtes, graues Gewand,
Ein ältlich Weib von der Straße herbei,
Zu schauen, was da zu jubeln sei.
Das liebliche Kind ergötzt sich sehr,
Es hüpfet und spähet hin und her,
Und kommen draußen die Kegel zu Fall,
So lacht es darüber mit hellem Schall.
„Gefällt’s dir da draußen, du Affengesicht?“
Schreit einer es an, „so vergaffe dich nicht!“
Ein anderer höhnt: „Das ist drollig, nicht wahr?
Ich zeige dir’s gern in der Nähe gar.2
Drauf köpft er das Kind – und rollet, o Graus,
Das blutige Haupt in die Kegel hinaus,
Daß flugs wie mit unheimlicher Kraft
Es alle neun zu Boden rafft.
Da schlägt der wilde, entsetzliche Hauf
Ein toll und wiehernd Gelächter auf.
Die Alte aber schweigt und blickt
Gespenstisch drein und zittert und nickt
Und beugt sich und streuet Kies und Erd’
Im Kreis umher mit fremder Gebärd’
Und murmelt einen furchtbaren Spruch,
Drin jedes Wort ein zehnfacher Fluch.
Da stand entsetzt mit sträubendem Haar,
Noch lachender Miene die bleiche Schar;
Die Alte jedoch in dem grauen Gewand
Wie Sturmgewölk am Gebirg verschwand.
Und als im Berg am Werketag
Ertönet der erste Hammerschlag
Erbebt der Grund und mit Donnergebraus
Stürzt Schacht und Stollen in Nacht und Graus.
G. v. Leitner
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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