Das Donauweibchen

Die Fischer tanzen beim Mondenschein,
Sie singen und tanzen den Ringelreihn.

Sie tanzen am grünen Donaustrand,
Es flattert im Winde ihr leichtes Gewand.

Da schallt ein Gesang aus schilfichtem Hag,
Der tönet, als wär’ es ein Nachtigallschlag.

Und lustigen Schrittes ein Weibchen hold
Die Fischer erblicken, mit Flechten wie Gold.

„Wer bist du? Von wannen? Was treibst du allhier?“
„Ich lebe vom Wasser, juste eben wie ihr.“

„Und lebst du vom Wasser, so reich’ uns die Hand
Und tanze mit uns hier de Reihen am Strand!

So tanze und singe dazu uns ein Lied,
Bevor noch die Stunde des Frohsinns entflieht!“

Da singet das Weibchen, da lagen im Nu
Die andern im Kreise und horchen ihm zu:

„Ich wohne in einem kristall’nen Palast,
Wo Nymphen den Wink mir befolgen mist Hast.

Ich trinke aus Golde den würzigen Trank
Und esse aus Schüsseln von Silber gar blank.

Ich schmück’ mit Korallen und Perlen mich schön
Un tanz’ mit Gespielen bei Harfengetön.

Und schlafe auf Kissen, die weicher wie Flaum,
Von Blumen umfächelt im gaukelnden Traum.

Doch lieber als Perle und Gold und Gestein
Ist mir eine Stunde beim ländlichen Reih’n,

Ist mir eine Stunde am säuselden Strand
Bei munterer Jugend im Fischergewand.“

So sang dort das Weibchen dem horchenden Rund,
Da hüllte in Wolken der Mond sich zur Stund’.

Und als er aufs neue den Schimmer ergoß,
Fort war da das Wibchen, ein Traum, der zerfloß.

Wohl starrten die Fischer zum schilfichten Hag,
Drauß aber erklang’s noch wie Nachtigallschlag.

Da wußten sie’s alle, da ward es nun klar:
Die Nixe der Donau beim Fischertanz war.

Und oft noch versuchen auf heimischem Ried
Die Fischer zu singen der Fröhlichen Lied.

Drum klingt auch noch jetzt in dem Fischergesang
Solch fremder, die Herzen ergreifender Klang.

J. N. Vogl

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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