Die Sage von der Gründung Teschens
Der Polenkönig Lesko stand einst nach Sonnenuntergang auf dem Söller seines Palastes und blickte sinnend gegen den prächtigen Abendhimmel. Da fielen ihm drei Sterne auf, die in ihrem hellen Glanze alle andern überstrahlten. Bei diesem Anblicke dachte der König unwillkürlich seiner drei hoffnungsvollen Söhne. Er ließ sie vor sich rufen und befahl ihnen, einzeln nach jener fernen, westlichen Gegend zu ziehen, das unbekannte Land zu erforschen.
Nch herzlichem Abschiede voneinander und mit dem Wunsche eines frohen Wiedersehens verließen die drei Brüder, jeder mit einem kleinen Gefolge, das Schloß und zogen auf getrennten Wegen der fernen Gegend zu. Sie fanden in dem fremden Lande nur selten Spuren von menschlichen Siedlungen und hatten viele Mühsale zu überstehen.
An einem schwülen Tage suchte der eine der drei Brüder, ermattet von der langen Wanderung und vor Durst fast verschmachtend, ein Ruheplätzchen. Da hörte er von den dicht bewaldeten Höhen her den Schall eines Jagdhornes. Er lauschte, folgte dem Tone und fand zu seiner großen Freude einen seiner Brüder inmitten des Gefolges. Dieser erzählte ihm, daß er vor kurzem in der Waldwildnis auch den dritten Bruder gefunden habe, der eben eine Quelle suche, um bei der drückenden Hitze auf einer erquickenden Lagerstätte zu ruhen. Wenn er eine solche gefunden habe, werde er es durch Hörnerschall verkünden.
Bald ertönte das Horn des Suchenden und in wenigen Minuten feierten die drei Brüder ihr unverhofftes Wiedersehen. Dann stillten sie ihren Durst an der klaren, leiblichen Quelle und freuten sich herzlich ihres glücklichen Zusammentreffens.
Zur Erinnerung an diesen Augenblick gründeten sie in der Nähe der Quelle ein Lustschloß und nannten es Cieszyn, was soviel wie Ort der Freude oder Freudenstadt bedeutet. Bald ließen sich um das Schloß Ansiedler nieder, welche die Wälder lichteten, Häuser bauten und so einen Wohnort schufen, der nach dem Schlosse ebenfalls Cieszyn genannt wurde. Aus diesem Worte entstand der Name „Teschen“. Am südöstlichen Abhange der freundlichen Stadt, in der abseits gelegenen schmalen Brüderbrunnengasse, befindet sich noch heute dieser sagenhafte Brunnen als Wahrzeichen Teschens.
Nach J. Peter
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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