Grünhütel

Einst ging ein armer Schmied von Lassing auf der waldumsäumten Straße nach Hollenstein im Ybbstale und sprach so bei sich selber: „Ach, wenn ich einen Sack voll Silberzwanziger hätte, dann wäre mir geholfen!“
Kaum hatte der Einsame diesen Wunsch ausgesprochen, da trat plötzlich aus dem Waldesschatten ein kleines Männlein mit einem großen grünen Hut auf ihn zu, reichte ihm ein klingelndes Säckchen und sagte: „Trag das nach Hollenstein! Es sind lauter gute alte Hufnägel drin, daß du es weißt, laß dir aber nicht einfallen, hineinzuschauen, was du drin findest. Bist du aber voreilig, dann sind Ärger und Ekel deine Strafe.“

Der Schmied war verwundert über die unverhoffte Gabe. Das Männlein kam ihm nicht recht geheuer vor, darum dankte er für das Säcklein und versprach hoch und teuer, nach dem Geheiß zu tun. Da drohte ihm der Fremde nochmals mit dem Finger und schlug sich abseits.

Der Schmied wanderte rüstig weiter, aber je näher er seinem Zeile kam, desto schwerer ward das Säcklein. Rastend hielt er an und schüttelte es – da gab es einen Klang wie eitel Silber und der Inhalt fühlte sich von außen so rundlich an, wie die ersehnten Silberstücke. Da hielt sich der Schmied nicht länger. „Der Grünhütel hat meinen Wunsch erfüllt,“ jubelte er und stieß einen Jauchzer aus, daß es nur so hallte. Und nun war das Versprechen vergessen. Mit gierigen Fingern riß er den Bindfaden auf – o weh! Da ward das Säckchen plötzlich federleicht und über den Rand drängte sich eine kugelige Masse schwarzer, stinkender Mistkäfer.
Erschrocken schleuderte der Schmied die verwandelte Gabe weg und ward sich traurig bewußt, daß man ein Versprechen halten müsse.

Hans Fraungruber

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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