Der Katzenball bei Mitterndorf
In später Nachtstunde wanderte ein Knecht auf der Landstraße gegen Mitterndorf zu. Da hörte er plötzlich Musik. Er blieb stehen und sah sich nach allen Seiten um und nun schien es ihm, als kämen die Töne aus einer unweit der Wiese stehenden Scheune. Neugierig und verwundert schlich der Knecht hinzu und spähte durch ein Astloch in das, wie er nun sah, beleuchtete Innere. Welch seltsamer Anblick! In einer Ecke saßen mehrere Katzen, die hielten Knöchelchen in den Vorderpfoten und handhabten sie wie Musikinstrumente. Zwei geigten, eine griff den Brummbaß, eine andere blies die Trompete und eine fünfte fingerte auf dem Bein wie auf einer Flöte; das gab eine lustige Musik. An den Wänden rundum saßen viele andere Katzen, weiße, schwarze und graue, und unterhielten sich dem Anscheine nach ganz vortrefflich.
Da trat ein großer Kater ganz ernsthaft auf eine Katze zu, verneigte sich förmlich und schien sie um einen Tanz zu bitten. Das Katzenpaar schritt nun bis zur Mitte des Stadels, umfing sich mit den Vorderpfoten und tanzte lustig herum. Andere Paare folgten und so wurde in selbiger Nacht in der Scheune ein regelrechter Katzenball abgehalten.
Lange sah der Lauscher an der Scheunenwand dem sonderbaren Treiben zu; plötzlich überfiel ihn ein Schauer und er suchte schleunigst das Weite. Am andern Tage saß er bei einem Bauern zu Tische; da sprang die Tür auf und der große Kater, den er nachts vorher den Tanz eröffnen gesehen, kam in die Stube. „Ei,“ schrie der Knecht auf, „bist du hier daheim? Wo hast du dich heut nacht umgetrieben?“
Der Kater stutzte, dann warf er dem Überraschten einen Blick zu, so glühend und haßerfüllt, daß es ihm eiskalt über den Rücken floß. Im nächsten Augenblick sprang das Tier zum offenen Fenster hinaus und niemand hat es mehr von jenem Tage an gesehen.
Nach Friedrich Lobenstock
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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